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Dienstag, 25.04.2023 16:29 Uhr

Christopher Schorch: Wir wissen, dass uns nichts geschenkt wird

Ex-Profi Christopher Schorch ist als Assistent des Präsidiums aktuell nicht nur mitverantwortlich für organisatorische und wirtschaftliche Angelegenheiten wie die Suche und Pflege von Sponsoren, sondern auch für die Kaderplanung. Nach den beiden infrastrukturell und organisatorisch herausfordernden Highlightspielen vor über 3000 Zuschauern gegen Münster und Essen, aber auch der mittlerweile abgeschlossenen Trainersuche hat er turbulente Wochen und Monate hinter sich. Und er weiß: Es liegt noch viel Arbeit vor allen Beteiligten. Wir haben uns mit Christopher getroffen und über aktuelle Entwicklungen im Verein gesprochen. Das Interview wurde für die AM BALL geführt, die zum Spiel gegen den SV Rödinghausen auslag.

AM BALL: Christopher, die Mannschaft hat sich vor zwei Wochen beim 2:0-Heimsieg gegen Köln II endlich mit einem Sieg belohnt, vergangenen Samstag dann beim 0:3 in Lippstadt aber der Rückschlag. Wie bewertest du die Situation des Teams?
Christopher Schorch: „Wir müssen wissen, dass wir immer ans Limit gehen müssen. Wir brauchen stets eine gute Trainingswoche, um davon am Wochenende zu zehren. Wir sind keine Mannschaft, die sich ausruhen kann, müssen maximal hart arbeiten und uns jeden Punkt für den Klassenerhalt erkämpfen. Am Samstag in Lippstadt hat man zwei verschiedene Gesichter gesehen. So wie in der zweiten Halbzeit dürfen wir uns nicht präsentieren, da hat es an der Körpersprache und Mentalität gefehlt. Trotz schwerer Bedingungen haben wir in der zweiten Hälfte den Kampf nicht so angenommen, wie wir es von unserem Team sonst gewohnt sind.“

AM BALL: Marcus John wechselt nach der Saison zum KFC Uerdingen und wird dort Sportlicher Leiter und Trainer. Wie habt ihr diese Entscheidung aufgenommen?
„Ich selber habe schon etwas länger davon gewusst, weil meine Beziehungen zum KFC gut sind. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung war sicherlich etwas unglücklich, da wir mitten im Kampf um den Ligaverbleib sind. Trotzdem haben wir Verständnis für Marcus‘ Entscheidung und sind ihm sehr dankbar für seine geleistete Arbeit. Mit ihm werden wir den Klassenerhalt packen und somit unser Saisonziel erfüllen. Er wird sich bis zur letzten Sekunde voll für den Erfolg beim 1. FC reinhauen, genauso wie die uns verlassenden Spieler.“

AM BALL: Wegen Marcus Johns Weggang bist du nun für die Kaderplanung verantwortlich. In André Bugla, Kevin Grund, Florian Abel und Marcel Platzek verlassen gleich mehrere Aufstiegshelden von 2022 den Verein. Gab es keine Chance, die Jungs zu halten?
„Kevin Grund hatte schon mit mir im Februar gesprochen. Ich schätze seine ehrlich und offene Art mir gegenüber sehr. Kevin schafft die Regionalliga zeitlich nicht mehr, weil er sich ein zweites berufliches Standbein aufgebaut hat. Von André Buglas Entscheidung, nicht einmal mein Gesprächsangebot anzunehmen, bin ich persönlich etwas enttäuscht. Ich denke auch, dass der Verein ihm viel gegeben hat. Und schließlich stand weder fest, wer der neue Trainer wird, noch in welcher Klasse wir spielen. Trotzdem akzeptieren wir natürlich auch Andrés Entscheidung, zwei Ligen tiefer zu wechseln. Er hat knapp 10 Jahre für den 1. FC Bocholt gespielt und hat hier völlig zurecht den Status einer Vereinsikone. Florian Abel hat vom Verein ein leistungsbezogenes Angebot bekommen und sich dagegen entschieden zu verlängern, das muss man akzeptieren. Ich finde Flo als Spieler und als Menschen super, weshalb mir dieser Abgang persönlich wehtut. Marcel Platzek und ich haben häufig gesprochen. Ich habe die Option für seine Vertragsverlängerung gezogen, er leider nicht. Marcel schlägt einen neuen Lebensweg ein und sein neuer Fokus liegt auf der beruflichen Umschulung und dem Schritt in ein neues Leben nach dem Profifußball. Das sollten wir alle respektieren. Trotz der nachvollziehbaren Enttäuschung von Fans und Verantwortlichen wünsche ich allen genannten Spielern sportlich und privat nur das Beste. Sie sind alle feine Kerle, die am Hünting für immer herzlich willkommen sein werden!“

Das Stadion am Hünting soll wieder eine Festung werden und ein Ort, den jeder Bocholter Fußballfan mit Vorfreude betritt.

Christopher Schorch

AM BALL: Anfang der Woche hat der Verein bekannt gegeben, dass Dietmar Hirsch neuer Cheftrainer wird. Warum fiel die Entscheidung auf ihn?
„Dietmar passt sehr gut zu uns, da er die Situation klar kennt, er weiß was wir bieten können - und was eben nicht. Dietmar nimmt diese Situation voll an und brennt auf die neue Aufgabe. Das habe ich seit dem ersten Gespräch gespürt. Wichtig war, dass die menschliche Komponente sowie die fachliche Expertise zu unserer Philosophie passt. Dabei geht es auch um ganz simple, aber für unsere Vereinsstrukturen ganz wichtige Aspekte wie ein freundlicher, respektvoller Umgang mit jedem Mitarbeiter, Ehrenamtlichen sowie mit Fans und Sponsoren. Dietmar ist sympathisch, fachlich top und wird am Hünting Erfolg haben, da bin ich mir sicher.“

AM BALL: In dieser Saison wird es vermutlich bis zur letzten Minute um den Klassenerhalt gehen. Welche Ziele verfolgt ihr in der kommenden Saison unter dem neuen Trainer?
„Wir wollen die Chance nutzen, die sich uns bietet und künftig einen leidenschaftlichen, aggressiven Fußball bieten. Es muss weh tun, gegen den FC zu gewinnen. Das Stadion am Hünting soll wieder eine Festung werden und ein Ort, den jeder Bocholter Fußballfan mit Vorfreude betritt und zufrieden wieder verlässt, weil die Mannschaft von der ersten bis zur letzten Minute alles gegeben und attraktiven Offensivfußball gespielt hat.“

AM BALL: Der finanzielle Aufwand in der Regionalliga West ist immens. Ein schlagkräftiger Kader ist teuer, hinzu kommen große Aufwendungen in der Organisation und bei der Sicherheit. Wie bekommt ein Aufsteiger wie der 1. FC Bocholt das gestemmt?
„Ganz einfach: Mit vielen tollen Menschen hier im Verein, wo es unfassbar viel Spaß macht, mit ihnen zu arbeiten. Ich bin dankbar für die Unterstützung jedes Einzelnen. Wenn ich daran denke, wie mir die Fans geholfen haben, um viele Dinge im Stadion zu verändern und fertigzustellen, da geht mir das Herz auf und treibt mich zu noch mehr an.“

Jeden Morgen, wenn ich am Hünting bin, habe ich ein gutes Gefühl und sehe, wie sich Schritt für Schritt etwas entwickelt.

Christopher Schorch

AM BALL: Unser Stadion-Namensgeber und Trikot-Sponsor Gigaset hat angekündigt, den bis Ende Juni gültigen Vertrag nicht zu verlängern. Wie optimistisch bist du, auch hier einen passende neue Partner zu finden?
„Man darf nicht vergessen, dass wir in einer besonderen Zeit leben mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine und den daraus resultierenden wirtschaftlichen Problemen. Ich bin mit lokal und regional bekannten Firmen im Austausch und freue mich, wenn wir bald spannende neue Partner präsentieren können. Aber wir lassen uns da nicht unter Druck setzten und suchen das Beste im Sinne des 1. FC Bocholt aus.“

AM BALL: Immer wichtiger wird für ambitionierte Clubs auch der Nachwuchsbereich. Wie bewertest du den aktuellen Zustand unserer Jugendabteilung?
„Wir haben gesehen, dass wir die ersten Früchte tragen bei den Profis, wo bereits drei U19-Spieler ihr Regionalliga-Debüt gegeben haben. Wir sind auf einem guten Weg, aber es liegt noch viel Arbeit vor uns. Die Jugend- und Seniorenabteilung arbeiten sehr gut und vertrauensvoll zusammen. Wir werden auch hier die nächsten Schritte gehen - gemeinsam."

AM BALL: Du bist jetzt seit über einem Jahr für den 1. FC Bocholt tätig. Wie lautet dein bisheriges Fazit?
„Eine sehr intensive Zeit, in der ich tolle Menschen kennenlernen durfte. Ich freue mich persönlich sehr auf die Zukunft. Aktuell ist es natürlich sehr kräftezerrend mit bis zu 15-Stunden-Tagen. Aber jeden Morgen, wenn ich am Hünting bin, habe ich ein gutes Gefühl und sehe, wie sich Schritt für Schritt etwas entwickelt. Ich möchte den Verein so weit mitentwickeln, wie es nur geht. Wir haben brutal viel Potenzial, aber wir wissen, dass uns nichts geschenkt wird.“

AM BALL: Wenn wir uns ein Jahr nach vorne beamen: In welchem Zustand befindet sich der 1. FC Bocholt, wenn es nach dir geht, Ende April 2024?
„Wir alle feiern zusammen am Hünting frühzeitig den Klassenerhalt in der Regionalliga - und können die darauffolgende Saison in aller Ruhe vorzeitig planen. Ich wäre echt happy! (lacht)“