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Montag, 01.08.2022 08:54 Uhr | Stefan Schniedertöns

"Wenn das deine Fans sind, ist das bestimmt richtig geil."

Robert Nnaji wechselte im Sommer von den Sportfreunden Lotte an den Bocholter Hünting. Im Interview mit der AM BALL verrät der 25-jährige Brite, wie ihn die Jugend in England geprägt hat und warum der Fußball für ihn die Integration in Deutschland erleichtert hat.

Du bist jetzt seit einigen Wochen hier in Bocholt. Bist du schon angekommen?
Robert Nnaji: „Ja, ich bin hier wirklich sehr schnell angekommen. Der Trainer, die Jungs, sie alle haben es einem sehr einfach gemacht. Einige kenne ich auch schon von früheren Stationen oder von Spielen, wo wir gegeneinander gespielt haben. Früher auf dem Feld haben wir uns bekriegt, heute lachen wir gemeinsam darüber. Alle sind sehr freundlich.“ 

Was hast du denn vor deinem Wechsel hierher über den Verein und die Stadt gewusst?
„Ich wusste, dass der 1. FC Bocholt ein Traditionsverein ist. Das spürt man sofort, wenn man hier auf die Anlage kommt. Als Gegner war es immer ekelig hier. Man hatte wirklich gar keinen Bock, so eine lange Reise nach Bocholt zu machen und dann den langen Weg durch den Spielertunnel auf den Patz zu gehen. Die Fans, die einen von außen immer angeschrien haben. Als Gegner bin ich nicht gern hergekommen. Als dann die Anfrage kam war das aber einer der Gründe für mich, warum ich hierher kommen wollte. Ich habe mir gedacht: ‚Wenn das deine Fans sind, ist das bestimmt richtig geil.‘" 

Dann ist deine Vorfreude auf die ersten Heimspiele bestimmt besonders groß?
„Ja, sehr. Schon beim Spiel gegen Bochum war es eine gute Stimmung. Immer wenn wir Torchancen kreiert haben oder als wir das Tor geschossen haben, war die Lautstärke von der Seite schon krass. Man hat immer mehr Bock gehabt, zu spielen, Chancen zu kreieren und zu merken, wie die Leute uns unterstützen.“ 

Kommen wir zu deinem persönlichen Werdegang. Du hast in England mit dem Fußball begonnen?
„Genau. Mit vier Jahren bin ich mit meiner Familie nach England gezogen. Gebürtig komme ich aus Nigeria. Mit sieben Jahren habe ich dann bei einem kleinen Verein in der Nähe angefangen. Ein Freund aus der Schule hat mich damals mit zum Training genommen. Von dort aus bin ich dann zu einem etwas größeren Verein gewechselt und habe parallel für die Schule und einige Auswahlmannschaften gespielt. Ich habe aber nie unter richtig professionellen Bedingungen gespielt, sondern habe mich immer durchgekämpft.“ 

Und dann ging es nach Deutschland…
„Genau. Mein Onkel hat mir empfohlen, her zu kommen. Damals war ich 18 Jahre alt und konnte kein Wort Deutsch. Ich bin damals immer an einem Fußballplatz vorbeigefahren und wusste nicht, wie ich auf den Platz kommen konnte. Also bin ich einfach irgendwann über den Zaun gesprungen und habe dort trainiert. Da habe ich dann ein paar Jungs getroffen, die auch Englisch konnten. Über sie bin ich dann beim FC Karnap gelandet. Über DJK TuS Hordel und den Vogelheimer SV bin ich dann zur SSVg Velbert gekommen, wo ich vier Jahre gespielt habe. In der letzten Saison habe ich dann bei den Sportfreunden Lotte gespielt und jetzt bin ich hier in Bocholt.“

Auf der Straße gibt es dann keine Regeln. Du musst deine Dribblings schnell entwickeln, sonst wirst du getreten und es gibt kein Foul. Und häufig spielst du auch mit Größeren. Also lernst du schnell, wie du den Ball schneller bewegen kannst, wie du schneller vorbei kommst oder zum Abschluss kommst.

Robert Nnaji

War der Fußball dann auch ein Türöffner für dich in Deutschland?
„Ja, zu 100 Prozent. Ich habe deutsch schneller gelernt, weil ich mit anderen Fußball gespielt habe. Die ersten Begriffe, die ich gelernt habe, waren ‚Hintermann‘, ‚klatsch', ‚dreh auf‘ und solche Sachen. Und weil ich es auch lernen wollte, habe ich dann häufig nach dem Spiel oder Training, wenn wir zusammen ein Bierchen getrunken haben, versucht, die Sprache zu lernen. Meine Mitspieler haben mir dabei sehr geholfen.“ 

Welche Ziele hast du in der kommenden Saison mit dem 1. FC Bocholt?
„Auf jeden Fall primär der Klassenerhalt. Das ist am Wichtigsten. Noch wichtiger als meine persönlichen Ziele. Ich weiß, wie es ist, abzusteigen. Das will ich mit Bocholt unbedingt vermeiden und ich glaube, wir haben auch den Kader dafür. Persönlich möchte ich mehr Tore schießen als in der letzten Saison. Arman Corovic hat zu mir gesagt, er will von mir 14 Scorer-Punkte sehen. Damit wäre ich sehr zufrieden.“ 

Was sind deine persönlichen Stärken?
„Schnelligkeit habe ich noch (lacht). Ich mag es auch sehr, in 1 gegen 1-Situationen zu gehen. Ich habe gern den Ball und schaue dann, was der Verteidiger macht. Und ich mag es auch zu nerven. Ich glaube, für die Gegner bin ich eine richtige Nervensäge. Ich bin immer da, bin auch immer etwas eklig auf dem Feld.“ 

Würdest du sagen, dass dir da auch die Jugend in England geholfen hat? Dort werden Dribblings bei jungen Spielern ja viel stärker gefördert als hier in Deutschland.
„Ich glaube ja. Ganz oft hast du Situationen, wo der Ball zum Außenspieler gebracht werden soll, damit der in die 1 gegen 1-Situationen gehen kann. Auch der Trainer ruft dann immer ‚Beat him‘, also geh an ihm vorbei. Dort gibt es einfach mehr Straßenfußballer.“ 

Würdest du dich als Straßenfußballer sehen?
„Ja, würde ich schon sagen. Ich war nie in einem Nachwuchsleistungszentrum. Ich hatte immer nur die Straße oder den ‘Cage‘, wie wir das in England nennen. Auf der Straße gibt es dann keine Regeln. Du musst deine Dribblings schnell entwickeln, sonst wirst du getreten und es gibt kein Foul. Und häufig spielst du auch mit Größeren. Also lernst du schnell wie du den Ball schneller bewegen kannst, wie du schneller vorbei kommst oder zum Abschluss kommst. Solche Dinge habe ich mitgenommen und die helfen mir auch heute noch.“ 

Wie sieht deine persönliche Zukunftsplanung aus?
„Ich bin mir noch nicht ganz sicher. Ich kann mir vorstellen, beruflich in Richtung Physiotherapie zu gehen. Aktuell fokussiere ich mich aber ganz auf den Fußball. Studieren kann ich später immer noch. Meine Familie ist auch noch in London, ich kann mir daher auch vorstellen, irgendwann wieder zurückzugehen. Aktuell fühle ich mich aber sehr wohl in Deutschland. Neben der Physiotherapie kann ich mir auch vorstellen, was als Trainer zu machen. Gerne auch mit jungen Spielern und denen bei der Entwicklung helfen. Ich habe viele Spieler gesehen, die zwar viel Talent haben, es aber trotzdem nicht schaffen, weil sie es aus verschiedenen Gründen nicht packen. Ich glaube, ihnen kann ich dabei helfen. Daher mache ich vielleicht auch irgendwann meinen Trainerschein.“ 

Vielen Dank für das Interview, Robert!