Thomas Gösweiner: Heimspiele etwas ganz besonderes!
Thomas Gösweiner wechselte kurz nach dem Start der aktuellen Saison zum Bocholter Hünting. Neben Erfahrungen bei namhaften Vereinen in Deutschland, darunter bei TSG Hoffenheim II und SV Elversberg, lief der 29-jährige Stürmer auch für die österreichische Jugend-Nationalmannschaft auf. Im Interview spricht Gösweiner über seine bisherigen Stationen im Fußball und prägende persönliche Erlebnisse seiner Karriere.
AM BALL: Wie waren deine ersten Wochen in Bocholt?
Thomas Gösweiner: „Der Wechsel war ein bisschen stressig, da alles innerhalb von ein, zwei Tagen sehr schnell ging. Nachdem ich die Nachricht erhalten hatte, dass der Transfer fix ist und ich zur Vertragsunterzeichnung nach Bocholt kommen soll, war ich am nächsten Tag bereits hier am Hünting. Aufgrund der kurzen Vorbereitungszeit musste ich zunächst im Hotel wohnen, bis ich eine Übergangswohnung gefunden hatte. Inzwischen hat sich alles etwas beruhigt. Ich habe jetzt eine feste Wohnung hier gefunden und fühle mich nach der kurzen Zeit in Bocholt schon sehr wohl. Es ist schön, dass die Stadt viele grüne Ecken hat. Auch die Nähe zu den Niederlanden und die schnellen Verbindungen zu größeren Städten wie Düsseldorf ist sehr gut.“
Was hat dich zu deinem späten Wechsel an den Hünting bewogen?
„In Kassel hatte ich noch ein Jahr Vertrag, habe mich dort zuletzt aber nicht mehr wirklich wohl gefühlt. Über den Sommer habe ich dann intensiv darüber nachgedacht und bin zu dem Entschluss gekommen, dass eine Veränderung gut für mich wäre und die Einigung mit Hessen Kassel haben wir auch gefunden. Das Ganze ging dann, wie gesagt, wirklich sehr schnell. Ich habe den 1. FC Bocholt schon in der letzten Saison beobachtet und gesehen, dass der Verein eine gute Rolle in der Liga spielt. Christopher Schorch kannte ich noch aus seiner aktiven Zeit und so kamen wir ins Gespräch. Er hat mir von dem Projekt hier am Hünting erzählt, und mich hat der Plan mit dem Spielsystem, dem Trainer und dem gesamten Umfeld sofort überzeugt. Der Eindruck vom Verein war von Anfang an sehr positiv, und ich bin sicher, dass es die richtige Entscheidung war.“
In der vergangenen Saison war deine Spielzeit begrenzt. In Bocholt durftest du bereits in deinem zweiten Spiel von Beginn an starten. War es schwer für dich wieder in den Rhythmus zu kommen?
„Ich bin relativ gut wieder reingekommen, da ich auch schon länger Fußball spiele und bereits etwas Erfahrung gesammelt habe. Mein letzter Startelf-Einsatz war vor etwa vier oder fünf Monaten, daher war es anfangs noch etwas ungewohnt, wieder von Beginn an auf dem Rasen zu stehen. Auch der Trainingsbetrieb hier ist ein ganz anderer. Hier wird viel intensiver trainiert als in Kassel, wo es eher ein Halbprofibetrieb war. Da haben acht oder neun Spieler nebenbei noch gearbeitet oder sind zur Schule gegangen, da herrscht ein anderes Trainingsklima. Hier ist es komplett professionalisiert und das Vormittagstraining um 11 Uhr ist auch eine Umstellung. Aber ich habe das alles schon oft genug erlebt, daher ist es nur eine Frage der Gewöhnung. Mit der Zeit legt sich das und ich bin zuversichtlich, dass ich wieder an meine alten Leistungen anknüpfen kann.“
Nach dem unglücklichen Saisonstart gab es gegen Schalke 04 II die ersten Punkte. Wie befreiend war der erste Sieg für euch?
„Wir wissen, dass viel Qualität in der Mannschaft steckt und der Erfolg nur eine Frage der Zeit war. Der erste Sieg gegen Schalke letzte Woche war daher sehr befreiend. Wir haben in den ersten Spielen versucht, mit hohem Pressing zu agieren, was allerdings zu einem wilden Hin und Her geführt hat und uns in der Defensive nicht genug Sicherheit gegeben hat. Gegen Schalke haben wir das geändert und standen kompakter, das hat uns den nötigen Erfolg gebracht. Es ist wichtig, dass wir Verteidigen als erstes Prinzip verinnerlichen. Mit der Qualität, die wir haben, werden wir dann auch wieder regelmäßig Torchancen und Siege einfahren. Der Sieg im Pokalspiel, gepaart mit dem Erfolg gegen Schalke, war extrem wichtig für unser Selbstvertrauen. Sobald dieses Selbstvertrauen zurückkehrt, wird vieles einfacher und dann werden sich auch wieder die Automatismen auf dem Feld einstellen, die den Erfolg bringen.“
Die Atmosphäre und Stimmung im Stadion haben mich wirklich positiv überrascht. Die Fans sind unglaublich motivierend und man spürt ihre Energie auf dem Platz.
Zwei Spiele konntest du bereits am Hünting bestreiten. Wie nimmst du die Atmosphäre im Stadion wahr?
„Die Atmosphäre und Stimmung im Stadion haben mich wirklich positiv überrascht. Die Fans sind unglaublich motivierend und man spürt ihre Energie auf dem Platz. Aus Kassel bin ich so etwas nicht gewohnt. Das Stadion ist zwar größer, aber die Stimmung dort kommt nicht an das ran, was die Fans am Hünting leisten. Das Gefühl bei Heimspielen ist hier etwas ganz Besonderes und es macht richtig Spaß, vor den eigenen Fans zu spielen und gemeinsame Erfolge zu feiern. Selbst bei der Niederlage merkt man die Stimmung auf dem Platz deutlich. Die Fans reagieren sehr emotional, was die Motivation zusätzlich steigert."
Erzähl uns doch, wie dein Weg im Fußball dich nach Deutschland geführt hat.
„Ich war bei Sturm Graz II unter Vertrag, die damals als Bindeglied zwischen der ersten und der zweiten Mannschaft fungierte. Trotz einer soliden Saison dort hatte ich für eine Zukunft in Österreich nicht viele Optionen, also entschloss ich mich, Österreich zu verlassen. Ich wollte ein neues Umfeld kennenlernen und habe darüber nachgedacht, wie ich das am besten anstellen könnte. Der Wechsel lief nicht klassisch über einen Berater. Ich habe eine Art Bewerbung erstellt und diesen an mehrere Vereine in unterschiedlichen Ligen in Deutschland geschickt. Das Ganze hat tatsächlich funktioniert. Nachdem ich bei einem Probetraining war, das nicht so erfolgreich war, hatte ich die Chance zum Trainingslager von Wormatia Worms nachzureisen und mich dort zu präsentieren. Am Ende wurde mir angeboten, bei Worms zu bleiben. So kam es, dass ich ein Jahr in Worms verbracht habe und meine Reise im deutschen Fußball startete.“
Für dich ging es dann zur Zweitvertretung der TSG Hoffenheim, welche Erfahrung konntest du dort machen?
„Wenn man im Nachhinein über das Training nachdenkt, das man mit den Profis absolviert hat, merkt man schon einen großen Unterschied. Bei der zweiten Mannschaft durfte ich ein- bis zweimal pro Woche mit den Profis trainieren. Das Niveau war deutlich höher, das war eine große Umstellung. Besonders beeindruckend war für mich Kerem Demirbay. Er hatte einen unglaublichen linken Fuß und das Trainingsniveau und das Tempo waren enorm hoch. Die Profis machen so gut wie keine Fehler, weil sie den Ball perfekt kontrollieren können. Das Training selbst war meist nur 50 bis 60 Minuten lang, aber es war so intensiv, dass es sich anfühlte, als würde man zweieinhalb Stunden auf dem Platz stehen. Die Erfahrung war außergewöhnlich. Die Ausstattung und das Umfeld waren super professionell. Ich konnte in der Zeit sehr viel mitnehmen. Verschiedene Spielsysteme, Variabilität im Training, fußballerisch hat mich das extrem weitergebracht, insbesondere durch die verschiedenen Spielsysteme und Trainingsmethoden."
Du durftest in deiner Jugend für die österreichische Nationalmannschaft auflaufen. Woran erinnerst du dich aus der Zeit gerne zurück?
„Ich habe von meinem damaligen Trainer erfahren, dass der Nationaltrainer angerufen und sich nach mir erkundigt hat. Nur drei Tage später kam dann schon eine E-Mail vom ÖFB und als ich meinen Namen darin las, hatte ich wirklich Herzklopfen. Es war ein sehr emotionaler Moment, die Einladung zur Nationalmannschaft zu erhalten und zu wissen, dass man für sein Land spielen darf. Mit der U19-Mannschaft durfte ich die EM-Qualifikation spielen. In unserer Gruppe waren Russland, Rumänien und Norwegen. Im letzten Spiel gegen Russland hätte uns ein 0:0-Unentschieden gereicht, um uns zu qualifizieren. Tatsächlich haben wir es geschafft, das Spiel unentschieden zu spielen und uns so für die U19-Europameisterschaft in Ungarn zu qualifizieren. Das war ein unglaublich emotionaler Moment, den man kaum in Worte fassen kann. Es war einfach unfassbar, dass wir es tatsächlich geschafft haben. Und dann war ich plötzlich Teil der U19-Europameisterschaft."
An der Europameisterschaft konntest du allerdings nicht teilnehmen.
„Ich habe zu der Zeit bei Admira Wacker gespielt und habe mir zwei Wochen vor dem Turnier im Training das Kreuzband gerissen. Das war für mich ein bitterer Moment, nicht nur wegen der Verletzung an sich und dass ich das Turnier verpasse. Die Qualifikation für die U19-Europameisterschaft war gleichzeitig auch die Qualifikation für die U20-Weltmeisterschaft in Neuseeland. Die Jungs konnten sich qualifizieren und ich wäre wirklich gern dabei gewesen. Ich wollte dann die Chance bei der Weltmeisterschaft nutzen und war mit in Neuseeland. Wurde aber auch dort nicht vom Verletzungspech verschont und musste das Turnier mit einem Muskelbündelriss auch aussetzen."
Gegen den KFC Uerdingen feierte Gösweiner sein Premieren-Tor im Dress des FCB. Foto: Monika Gajdzik
Als Stürmer hast du natürlich auch Tore für die Nationalmannschaft geschossen. Erinnerst du dich an dein erstes Tor?
„Das war in einem Heimspiel gegen Mexiko. Ich kann mich noch genau daran erinnern: Florian Grillitsch ist über die linke Seite durchgekommen und hat den Ball in die Mitte geflankt. Ich habe die Flanke dann verwertet. Es war ein unglaublich überwältigendes Gefühl, mein erstes Tor im Trikot von Österreich zu schießen. Das Spiel war kurz vor der Endqualifikation für die U19-Europameisterschaft und war damit nochmal eine große Motivation vor der Qualifikation.“
Dein Kreuzband hast du dir später noch ein weiteres Mal gerissen. Was hat dir beim zweiten Kreuzbandriss geholfen, dass du nicht mit dem Fußball aufgehört hast?
„Den Mut hat mir mein Arzt gegeben, der Mannschaftsarzt vom VfB Stuttgart, Dr. Raymond Best. Über einen ehemaligen Mitspieler habe ich den Kontakt zu ihm bekommen und war dann für ein MRT bei ihm. Nach zwei Kreuzbandrissen besteht natürlich die Möglichkeit, dass man vielleicht nicht mehr Fußball spielen kann. Aber er hat mir glücklicherweise gesagt, dass ich mir darüber keine Sorgen machen muss. Er war zuversichtlich, dass ich wieder vollständig gesund werde, solange ich eine gute Reha mache. Natürlich hat mich auch immer meine Freundin unterstützt, was mir viel bedeutet hat. Ich habe mir nach der zweiten schweren Verletzung auch bewusst mehr Zeit gelassen und ein Jahr lang kein Fußball gespielt. Ich wollte auf Nummer sicher gehen und die Reha langsam und sorgfältig machen, ohne etwas zu überstürzen. Zum Glück hat das sehr gut funktioniert, und darüber bin ich wirklich froh.“
Wie bist du zum Stürmer geworden?
„Ich hatte immer große Lust, vorne zu spielen und Tore zu schießen. Verteidigen war nie mein Ding, ich wollte immer lieber im Angriff spielen. Meine Vorbilder waren immer Cristiano Ronaldo und auch Andrij Schewtschenko vom AC Milan. Die beiden haben mich beeindruckt und inspiriert. Deshalb habe ich mich immer mehr für das Offensivspiel interessiert als für die Verteidigung.“
Wie würdest du deinen Spielstil beschreiben?
„Ich bin der klassische Mittelstürmer, der viel Platz benötigt und in der Box präsent ist. Ich kann die Bälle festmachen, bin im Zweikampf unangenehm und arbeite intensiv mit meinem Körper. Dazu habe ich durch meine Größe ein gutes Kopfballspiel und einen starken Torabschluss im Sechzehner.“
Welche Ziele hast du dir für die Saison gesetzt?
„Nach diesem Start müssen wir realistisch bleiben und können nicht von einem Aufstieg sprechen. Aber ich glaube, dass wir mit der Qualität in unserem Team eine sehr gute Rolle spielen können, und das wollen wir alle auch so umsetzen. Wir müssen nur wieder zu unserem gewohnten Niveau zurückfinden. Wir können und wollen auf jeden Fall wieder oben mitspielen und alles darüber hinaus wäre ein Bonus. Natürlich streben wir auch den Pokalsieg an. Das wäre eine große Sache und wir könnten in der nächsten Saison im DFB-Pokal antreten.“
Danke für das Gespräch, Thomas! Das Interview ist entstanden für die AM BALL gegen den KFC Uerdingen.