Jan Wellers: Wir machen das derzeit einfach überragend
Jan Wellers wechselte im Sommer von Ligakonkurrent Fortuna Köln an den Bocholter Hünting. Der 23-Jährige hat in seiner jungen Karriere schon einige Meilensteine erlebt, darunter auch Jugend-Nationalspiele. Wir haben uns mit ihm zum Interview getroffen und uns über seine bisherige Laufbahn unterhalten.
AM BALL: Konntest du den Sieg gegen Aachen und die daraus resultierende Tabellensituation am Tag danach realisieren?
Jan Wellers: "Erst einmal ist es eine schöne Momentaufnahme. Allerdings war es in der letzten Woche, als wir gegen Ahlen auf den ersten Tabellenrang geklettert sind, ein noch unbeschreiblicheres Gefühl. Demnach war es gegen Aachen prinzipiell kein anderes Unterfangen als in der letzten Woche, aber gegen dieses Topteam muss man auch erstmal gewinnen. Das 3:0 ist schon eine Hausnummer. Das ist gerade eine Situation, mit der niemand vor der Saison gerechnet hat, besonders wenn man den riesigen Umbruch zu Saisonbeginn sieht. Das muss man erst mal so meistern und da muss ich mit vollem Respekt sagen: Wir machen das derzeit einfach überragend."
AM BALL: Du bist im Sommer von Fortuna Köln gekommen. Wie kam es zu diesem Schritt?
"Meine Spielzeit war bei Fortuna Köln zum Ende hin nicht mehr so gegeben. Die letzte Saison war in dem Punkt eigentlich ein reinstes Auf und Ab mit mal mehr, mal weniger Spielzeit. Daraufhin haben wir uns in Köln zusammengesetzt mit meinem Berater und den Verantwortlichen von Fortuna Köln und sind zu dem Entschluss gekommen, dass eine Verlängerung keinen Sinn macht und dass ich mich neu umorientieren wollte. Dann kam Bocholt ins Spiel. Die Gespräche waren von Anfang echt super und dann ist es mir auch nicht schwer gefallen, hier am Hünting zu unterschreiben und den Schritt nach Bocholt zu gehen, um mehr Spielpraxis zu bekommen."
AM BALL: Im Heimspiel gegen Fortuna Köln hast du das Tor zum zwischenzeitlichen 2:0 geschossen. Was war das für ein Gefühl, in so einem Topspiel gegen deinen alten Verein zu treffen?
"Ich glaube, diese Geschichten schreibt nur der Fußball. Das haben wir jetzt auch gegen Aachen gesehen. In seinem 250. Spiel schießt Marc Beckert ein Traumtor zur 1:0-Führung gegen seinen alten Club. Klar ist es immer ein schönes Gefühl, gegen den Ex-Verein zu treffen. Dass wir dann das Spiel auch noch gewinnen konnten, war umso schöner. Mit der Verfassung, die wir gerade im Team haben, ist das Toreschießen gerade einfach. Die Abläufe funktionieren auf dem Feld sehr gut und dass ich ein Tor zum Sieg und dann noch gegen meinen alten Verein dazu beisteuern konnte, ist ein schönes Gefühl."
Wir machen das derzeit einfach überragend.
AM BALL: Du hast auch bei Rot-Weiß Oberhausen gespielt. Beide Vereine sind seit mehreren Jahren in der Regionalliga vertreten. Welche Unterschiede kannst du zum 1. FC Bocholt, der erst das zweite Jahr in der Liga vertreten ist, festmachen?
"Der größte Unterschied ist, dass man in Bocholt weniger Druck hat als bei den beiden etablierten Vereinen. Dort ist die Zielsetzung eigentlich fast jedes Jahr der Aufstieg. Wenn das nicht klappt bzw. die Saison nicht gut läuft, bekommt man von unterschiedlichen Stellen Druck im Verein. Dann wird dort in einer schlechten Phase auch schnell der Trainer entlassen oder das ganze Konzept infrage gestellt. Das Gefühl habe ich hier in Bocholt gar nicht. Natürlich läuft es gerade auch sehr gut, aber trotzdem glaube ich, dass der Verein durch sein sehr familiäres Umfeld auf solche Dinge achtet und nichts überstürzt. Diese Atmosphäre macht es einem als Spieler, egal ob jung oder schon erfahrener, leicht, sich gut weiterzuentwickeln. Das ist glaube ich für uns Spieler ein entscheidender Faktor für den Verein. Diese Atmosphäre ist bei Fortuna Köln oder Oberhausen nicht so gegeben wie hier in Bocholt. Was ich sagen muss ist, dass die Trainingsintensität in Bocholt bislang die höchste ist, die ich je in einem Verein in der Regionalliga hatte. Das spiegelt auch unsere gute Leistung in den Spielen wieder."
AM BALL: Deine ersten Schritte bei einem Lizenzverein hast du im Leistungszentrum von FC Schalke 04 gemacht. Kannst du dich noch daran erinnern, wie es zu diesem Schritt gekommen ist?
"Das war mehr oder weniger eine zufällige Geschichte. Mein Bruder hat, als ich acht Jahre alt war, im Internet nach einem Probetraining auf Schalke geschaut. Dabei ist er auf der Seite von Schalke auf die Möglichkeit aufmerksam geworden. An dem Tag waren ungefähr 300 Kinder ungefähr in meinem Alter da. Im Laufe des Trainings habe ich gemerkt, dass es für mich richtig gut läuft. Die Trainer haben mich immer öfter nach meinem Namen gefragt, wo ich spiele und wo ich herkomme. Dann wurde mir noch am gleichen Tag oder einen Tag später gesagt, dass ich mal mit der Mannschaft von Schalke trainieren darf. In dem Training hab ich dann wohl so gut performt, dass Schalke mir noch am selben Tag einen Kaderplatz angeboten hat. Ich bin dann sofort zur Winterpause 2009 nach Schalke gegangen. Anschließend habe ich sieben Jahre für S04 gespielt."
AM BALL: Was ist deine schönste Erinnerung an die Zeit auf Schalke?
"Sicherlich die vielen internationalen Turniere. Wir haben gegen Gegner wie Chelsea, Real Madrid oder Barcelona gespielt. Da standen dann auch Spieler wie Phil Foden, Jadon Sancho oder Brahim Diaz, die jetzt unter anderem bei Real Madrid oder Manchester City spielen, auf dem Feld. Die Erfahrungen haben einen schon geprägt und diese Zeit will ich auch nicht missen. Auch die Trainer, die ich dort hatte, haben uns Spieler geprägt, indem sie uns grundlegende und wichtige Tugenden mit auf den Weg gegeben haben."
AM BALL: Zur U19 bist du vom FC Schalke 04 zum VfL Bochum gewechselt und hast dort anschließend auch den Schritt in die erste Mannschaft geschafft. Wie wird man als junger Spieler im Herrenbereich aufgenommen?
"Das kann man sich so vorstellen, als wenn man in ein neues Team kommt. Als erstes werden einem die ganzen Abläufen vertraut gemacht, aber als jüngster im Team ist man dann auch irgendwie für alles zuständig, wie zum Beispiel Wasser tragen. Vor allem ist dann als neuer Spieler das Motto „einfach arbeiten“ und sich in das Team einfügen, sonst wird es schwer, Anschluss zu finden. In Bochum hat mich die Mannschaft aber gut aufgenommen und alle waren auch relativ offen und haben mir vom ersten Tag an geholfen, mich ins Team zu integrieren. Es war wahrscheinlich auch etwas einfacher, da ich in der U19 schon regelmäßig bei den Profis mittrainieren durfte und demnach schon einige Abläufe kannte."
AM BALL: Welche Unterschiede gab es für dich im Training mit der Profimannschaft?
"Auf jeden Fall einmal die Intensität, die ist eine komplett andere. Alles ist viel viel schneller. Auch die Mentalität ist eine ganz andere. Du musst vom Kopf total klar und wach sein. Insbesondere, wenn dir mal ein Fehler passiert oder du durch die ganzen äußeren Einflüsse, die auf einen zukommen, abgelenkt bist, da musst du schon sehr stark im Kopf sein. Der Fußball im Herrenbereich ist auch wesentlich körperlicher, das ist ein entscheidender Faktor. Die Zweikämpfe sind körperlicher, härter und stärker. Für mich war das damals eine krasse Umstellung, da ich in dem Alter noch sehr schmächtig war. Ich musste dann erstmal die Muskeln für diese Art von Fußball aufbauen. Diese Intensität, Schnelligkeit und Zweikampfhärte sind Dinge, die kriegst du in der Jugend mit auf den Weg gegeben, aber die kommen dann noch mal ganz anders zum Vorschein, wenn du mit Spielern trainierst, die schon in der Bundesliga oder Champions League gespielt haben."
AM BALL: Du durftest in der U16 mit dem Adler auf der Brust für die Jugendnationalmannschaft auflaufen und hast sechs Spiele im DFB-Trikot bestritten. Was war das für ein Gefühl für die Nationalmannschaft auflaufen zu dürfen?
"Die Nominierung kam damals per Mail an meinen Trainer. Der hat mich dann in sein Büro gerufen und mir von den Neuigkeiten erzählt. Da war ich schon super happy. Ich glaube, jeder Fußballer möchte mal für sein Land auflaufen und Länderspiele gegen Spieler bestreiten, die bei Vereinen wie Paris Saint Germain oder Juventus Turin spielen. Es war einfach ein unfassbares Gefühl, zur Nationalhymne einzulaufen und dabei den Adler auf der Brust zu tragen."
Die Trainingsintensität in Bocholt ist die bislang höchste, die ich je in einem Verein in der Regionalliga hatte.
AM BALL: An welche Erlebnisse mit dem DFB erinnerst du dich gerne zurück?
"Die ganzen Lehrgänge, die wir hatten, waren cool, weil ich dort ja die Jungs aus ganz Deutschland wieder getroffen haben. Ich muss sagen, dass es bei der Nationalmannschaft schon familiärer war und immer immer eine gute Stimmung herrschte, demnach kann ich jetzt kein schönstes Erlebnis festmachen, die ganze Zeit ist eine sehr schöne Erinnerung. Natürlich war mein erstes Länderspiel für Deutschland gegen Belgien ein prägendes Erlebnis, besonders weil wir auch 5:1 gewonnen haben."
AM BALL: Nach den Kracher-Spielen gegen Fortuna Köln und Alemannia Aachen war der letzte Gegner am Hünting der 1. FC Düren. Im nächsten Spiel trefft ihr im Stadion am Zoo auf den Wuppertaler SV. Worauf wird es in dem Spiel ankommen, damit ihr eure Erfolgsserie beibehalten könnt?
"Wir müssen unabhängig von den Gegnern immer an unsere Leistungsgrenze gehen und immer 100 Prozent geben. Wir müssen die Tugenden jedes Spiel auf den Platz zu bringen, so wie wir es jetzt in den letzten 14 Spielen schon gezeigt haben. Wir müssen als Team kämpfen, füreinander laufen, Zweikämpfe annehmen, Männerfußball spielen und dann im richtigen Moment zuschlagen. Damit sollten wir auch dieses Spiel für uns erfolgreich gestalten können."
Wir müssen unabhängig von den Gegnern immer an unsere Leistungsgrenze gehen.
AM BALL: Zu Beginn der Saison bist du auf der Rechtsverteidiger-Position gestartet. Mittlerweile hast du dich auf der Sechser-Position festgespielt. Wo fühlst du dich wohler?
"Ich würde schon sagen, ich fühle mich im Zentrum wohler. Ich habe meine ganze Jugend auf Schalke im Zentrum gespielt. In Bochum bin ich dann aber aufgrund von Spielzeit immer mehr auf die Rechtsverteidiger-Position gerückt. Ich habe aber auch nie für mich ausgeschlossen, wieder ins Zentrum zurückzukehren. Ich glaube, meine Leistung bestätigt auch, dass ich mich im Zentrum wohlfühle. Demnach war ich froh, als der Trainer auf mich zukam und mich gefragt hat, ob ich es mir zutraue, im Zentrum zu spielen."
AM BALL: Was machst du in deiner Freizeit am liebsten?
"Ich gehe gerne Golfen, verbringe Zeit mit meinen Jungs oder gehe auch mal mit meinem Papa angeln. Ab und zu verbringe ich auch gerne mal einen Tag in Holland. Zusätzlich zum Training halte ich mich noch im Fitnessstudio oder beim Personal-Trainer fit. Neben dem Fußball studiere ich noch International Management an einer Fernuni. Demnach nutze ich die freie Zeit auch, um etwas für mein Studium zu machen. In den Sommerferien, Herbstferien und Osterferien bin ich noch für eine Fußballschule tätig und trainiere Kids von morgens bis mittags, bevor ich zum eigenen Training fahre. Die Arbeit dort macht schon sehr viel Spaß. Denn die Kinder sind immer neugierig und ich kann dort mein Wissen weitergeben."
AM BALL: Danke für das Gespräch, Jan!