Harbering: Die Stimmung ist momentan richtig gut
Er ist wieder dort, wo für ihn alles angefangen hat: Kaspar Harbering trägt seit dieser Saison wieder das Trikot des 1. FC Bocholt. Nach seinen Stationen bei Rot-Weiß Oberhausen und dem MSV Duisburg ist der gebürtige Bocholter zurück am Hünting – und bringt nicht nur wertvolle Erfahrungen aus höherklassigen Nachwuchsteams mit, sondern auch beeindruckende 2,03 Meter Körpergröße. Im Interview spricht er über seine Rückkehr in die Heimat, die Entwicklung des Vereins und die besonderen Momente, die ihn als Spieler ausmachen.
AM BALL: Früher Jugendspieler beim FCB, heute Teil der ersten Mannschaft – was hat sich im Verein seit deiner Jugendzeit am meisten verändert?
Kaspar Harbering: "Was mir sofort aufgefallen ist: Der Verein hat sich in den letzten Jahren enorm professionalisiert. Die Strukturen sind gewachsen, es wird viel investiert, und man merkt einfach, dass sich beim FCB richtig was tut. Früher war alles noch eine Nummer kleiner, heute spürt man, dass mehr dahintersteckt – sei es bei den Trainingsbedingungen, im Umfeld oder in der Organisation. Trotzdem ist das Familiäre nicht verloren gegangen. Genau das macht den Verein für mich auch aus: Der FC entwickelt sich weiter, bleibt aber trotzdem der bodenständige Club, bei dem man sich sofort wohlfühlt.“
AM BALL: Nach Stationen bei Rot-Weiß Oberhausen und dem MSV Duisburg bist du nun zurück in deiner Heimatstadt. Beim ersten Spiel zurück im FCB-Trikot – Gänsehautmoment oder einfach voller Fokus? Nimm uns mal mit in deinen Kopf, was da in diesem Augenblick los war.
"Rückblickend war es tatsächlich eine Mischung aus beidem. Natürlich stand für mich der Fokus im Vordergrund, weil ich unbedingt direkt eine gute Leistung zeigen wollte. Aber als ich dann wirklich wieder im Stadion stand, in dem ich zuletzt als Jugendspieler aufgelaufen bin, war das schon ein besonderer Moment. Da kamen viele Erinnerungen hoch – vor allem daran, wie ich früher hier selbst als kleiner Junge gespielt habe. Und dann plötzlich wieder dazustehen, jetzt als Teil der ersten Mannschaft, das war schon besonders. Aber sobald das Spiel lief, war der Kopf voll auf die Aufgabe gerichtet. Dann geht es nur noch darum, alles für das Team rauszuhauen und seine Leistung abzurufen.“
AM BALL: Mit einer Körpergröße von 2,03 m fällst du auf dem Platz sofort auf. Wie nutzt du diese physische Präsenz in deinem Spiel als Innenverteidiger, sowohl defensiv als auch offensiv?
„Wenn man so groß ist, bringt das natürlich ein paar klare Vorteile mit sich. Gerade bei Standards kann ich meine Größe gut einbringen – offensiv, um bei Ecken oder Freistößen gefährlich zu werden, und defensiv, um lange Bälle oder hohe Flanken zu klären. In solchen Situationen hilft es einfach, wenn man körperlich präsent ist. Auf der anderen Seite muss ich aber auch ehrlich sagen: Größe allein reicht nicht. Gerade auf den ersten Metern fehlt einem als großer Spieler manchmal die Spritzigkeit, und daran arbeite ich ständig. Ich will die Vorteile meiner Statur bestmöglich nutzen, aber gleichzeitig auch an meinen Schwächen arbeiten, um ein kompletterer Spieler zu werden.“
Vor meinem ersten Spiel hier beim FCB haben wir gemeinsam ein paar Methoden durchgesprochen, die mir helfen, denKopf frei zu kriegen und die Nervosität zu kontrollieren. Das hat mir extrem geholfen.
AM BALL: Die Innenverteidigung ist eine Position für Anführer – du musst zweikampfstark sein, das Spiel lesen und deine Mitspieler dirigieren. Siehst du dich selbst als den ruhigen Organisator oder als den Lautsprecher in der Defensive?
„Ich würde sagen, dass ich weder nur der ruhige Organisator noch ausschließlich der Lautsprecher bin – am Ende braucht man beides. Genau das entwickelt sich aber erst mit der Zeit und daran arbeite ich. Je sicherer man in seinem eigenen Spiel wird und je weniger man sich während einer Partie mit sich selbst beschäftigen muss, desto mehr kann man den Blick fürs große Ganze entwickeln. Dann wird es auch leichter, die Mitspieler zu organisieren und anzuleiten – was als Innenverteidiger extrem wichtig ist, weil man das gesamte Spiel vor sich hat.“
AM BALL: Wie bereitest du dich mental auf Spiele vor, um stets fokussiert zu sein?
„Ich bin ein totaler Routinemensch, was den Ablauf vor einem Spiel betrifft. Das fängt schon am Tag vorher an: Da esse ich immer dasselbe, schlafe zu festen Zeiten und halte mich an meinen Ablauf. Auch am Spieltag selbst läuft alles nach Plan – vom Frühstück bis zur Anfahrt. Das gibt mir eine gewisse Sicherheit. Und mental bin ich auch viel im Austausch mit Cedric Euschen. Vor meinem ersten Spiel hier beim FCB haben wir gemeinsam ein paar Methoden durchgesprochen, die mir helfen, den Kopf frei zu kriegen und die Nervosität zu kontrollieren. Das hat mir extrem geholfen, und einige dieser Techniken nutze ich regelmäßig."
AM BALL: Was unterscheidet aus deiner Sicht den Fußball, den wir hier beim 1. FC Bocholt spielen, von dem, was du aus deinen vorherigen Stationen kennst?
„Der größte Unterschied ist definitiv der Sprung vom Jugend- in den Herrenbereich. In der Jugend hat man oft einfach mehr Zeit am Ball, die Gegenspieler sind weniger robust, das Tempo ist nicht ganz so hoch. Im Herrenfußball geht alles viel schneller, körperlicher und intensiver. Das habe ich hier in Bocholt direkt gemerkt. Gerade als Innenverteidiger muss man da voll da sein, sonst wird man sofort bestraft. Aber wenn man Gas gibt und sich auf die neue Herausforderung einlässt, gewöhnt man sich ziemlich schnell daran."

Mit einer Größe von 2,03m hat Kaspar Harbering einige Vorteile im Luft-Zweikampf. Foto: Monika Gajdzik
AM BALL: Nach einer schwierigen Phase habt ihr jetzt zwei Siege in Folge geholt – gegen den KFC Uerdingen und den 1. FC Düren. Wie hat sich das auf die Stimmung in der Kabine ausgewirkt?
„Die Stimmung ist momentan richtig gut. Klar, Siege tun immer gut, aber zwei Auswärtssiege in Folge – beide zu null und mit einigen Toren – das hebt die Laune nochmal extra. Gerade auf den Rückfahrten merkst du dann, dass die Jungs gut drauf sind. Wir haben jetzt wieder das Gefühl, dass wir als Mannschaft zusammengefunden haben und gemeinsam etwas erreichen können. Das spürt man in der Kabine, auf dem Platz und auch neben dem Platz. Ich hoffe, dass wir jetzt so weiter machen."
AM BALL: Die meisten Spieler träumen von Pokalnächten oder Aufstiegsspielen. Was wäre dein persönliches Traumspiel mit dem 1. FC Bocholt – Gegner, Stadion, Wetter, alles frei wählbar?
„Wenn ich es mir aussuchen könnte, dann wären es schon coole Spiele gegen meine Ex-Vereine – also Rot-Weiß Oberhausen oder den MSV Duisburg. Dazu ein schöner Sommerabend, 19:30 Uhr, Flutlicht, volles Stadion – das wäre top."
Wir haben jetzt wieder das Gefühl, dass wir als Mannschaft zusammengefunden haben und gemeinsam etwas erreichen können.
AM BALL: Stell dir vor, es ist der letzte Spieltag, das Stadion ist voll, und du kannst entscheiden, wie das Spiel läuft. In welcher Szene siehst du dich am liebsten – mit einem Tackling in der 90. Minute, einem Kopfballtor nach einer Ecke oder einer spielentscheidenden Rettungsaktion auf der Linie?
„Da sehe ich mich ganz klar bei einer Rettung auf der Linie in der letzten Minute. Wir führen knapp, der Gegner drückt, und dann rette ich das Ding noch irgendwie kurz vor dem Tor. Solche Aktionen bleiben hängen. Natürlich nehme ich auch gerne ein Tor mit, aber als Verteidiger geht für mich nichts über eine entscheidende Rettungstat, mit der du der Mannschaft die drei Punkte sicherst. Das sind die Momente, an die man sich später erinnert."
AM BALL: Danke für das Gespräch, Kaspar!
Das Interview wurde nach dem Spiel gegen 1. FC Düren für die AM BALL gegen 1. FC Köln ll geführt.