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Interview
Mittwoch, 06.12.2023 19:00 Uhr | Johanna Herzog

Lukas Frenkert: “Uns wurde in der Saison nichts geschenkt!”

 Lukas Frenkert ist zur laufenden Saison vom Drittligisten Preußen Münster an den Bocholter Hünting ausgeliehen. Der 23-jährige Verteidiger konnte mit seiner Leistung in der Innenverteidigung überzeugen und wurde von den Fans zum “Spieler der Hinrunde” gewählt. Wir haben uns mit Lukas zum Interview getroffen und über seine bisherige Karriere gesprochen.

AM BALL: Die Hinrunde habt ihr sensationell als Erster beendet, jetzt stehen noch ein Rückrundenspiel an und dann geht es schon in die Winterpause. Merkt ihr in eurem Spiel, dass sich schon etwas Erschöpfung durch die hohe Intensität breit macht?

Lukas Frenkert: "Ich würde sagen, da ist keine Erschöpfung. Dafür ist die Lust von jedem Einzelnen einfach zu groß, um die letzten Spiele noch gewinnen zu können. Natürlich waren es anstrengende Wochen, wir hatten auch sehr schwierige Spiele. Es ist jetzt noch eine Wochen, die wir bis zur Winterpause haben und in dieser Woche müssen wir jetzt einfach komplett durchziehen. Wir haben noch das Spiel gegen Rödinghausen. Wenn wir im Kopf haben, dieses Spiel mit aller Konsequenz und unseren 100% durchzuziehen wie bisher, können wir befreit und entspannt in die Winterpause gehen."

AM BALL: Bist du eher ein Fan von defensiven Spielen, die ihr mit 1:0 gewinnt oder gewinnst du lieber die Spiele in einem offensiven Schlagabtausch mit 4:3?

"Dadurch, dass ich Verteidiger bin, mag ich es immer am liebsten, wenn die Null hinten steht. Ich habe das Gefühl, dass das bei vielen in unserer Mannschaft so ist. Wir gewinnen lieber 1:0, als nach einem ganz hitzigen Schlagabtausch 4:3. Ich glaube aber, dass wir selbst wenn wir 1:0 führen, immer den Anspruch an uns selbst haben, noch auf das 2:0 zu gehen und uns nicht 45 Minuten hinten reinzustellen und das Ergebnis zu verwalten."

AM BALL: Du bist zum FCB gewechselt, als in der Regionalliga bereits fünf Spieltage gespielt waren. Wie kam es zu deiner Leihe von Münster nach Bocholt?

"Es war so, dass ich in der letzten Saison sehr großes Verletzungspech hatte. Ich habe mir erst meine Schulter gebrochen. Dann habe ich mir, nachdem ich eine Woche wieder fit war, mein Sprunggelenk gebrochen und war anschließend direkt wieder zehn Monate raus. Nach der Verletzungszeit bin ich dann in der Rückrunde in ein sehr gut funktionierendes Team bei Preußen zurückgekommen. Da die Mannschaft sehr erfolgreich war, wurde zu der Zeit nicht viel verändert und ich wurde bei Spielen nur eingewechselt. In der Vorbereitung hat sich dann abgezeichnet, dass es für mich in der neuen Saison auch erstmal nur auf diese Art von Einsätzen hinausläuft und ich wollte, gerade nach der Verletzung, wieder mehr Spielzeit haben und in meinen Rhythmus kommen. Ich finde auch gerade als noch jüngerer Spieler und nach so einer langen Zeit der Verletzung, ist es total wichtig wieder Spielpraxis zu sammeln. Also haben wir uns Ge-danken gemacht, wie man es am besten löst und so kam es zum Austausch mit Dietmar Hirsch und Christopher Schorch. In diesen Gesprächen hatte ich von Anfang an ein sehr gutes Gefühl. Wir haben unter anderem darüber gesprochen, wie sie mich in die Mannschaft integrieren wollen und dass sie mich in allen Positionen der Kette sehen. Diese Punkte haben mich davon überzeugt, mich für diesen Weg zu entscheiden. Hier in Bocholt haben wir ein cooles Stadion, das habe ich direkt beim ersten Begehen gesehen. Natürlich habe ich schon mal auswärts in Bocholt gespielt, aber die Anlage aus der Sicht als Spieler von Bocholt zu sehen, ist nochmal etwas anders. Ich hatte dann sofort das Gefühl, dass ich hier eine schöne Zeit haben kann. Derzeit bin ich auch sehr froh, dass ich diesen Schritt gemacht habe. Es macht wirklich unfassbar viel Spaß in der Mannschaft - und die Tabelle spricht ja auch für sich."

Uns wurde in der Saison nichts geschenkt!

Lukas Frenkert

AM BALL: Dein Wechsel wurde am so genannten “Deadline-Day” offiziell. Nur drei Tage später durftest du gegen den SC Wiedenbrück bereits in der Startelf auflaufen. Wie hat es sich für dich angefühlt, als neuer Spieler direkt in die erste Elf zu rücken?

"Ich habe sechs Tage vorher noch auf der Bank bei Preußen Münster gesessen und stand dann direkt in der Startelf bei einem anderen Verein. Das ist natürlich alles sehr schnell gegangen. Ich war am Mittwoch schon beim Training in Bocholt dabei und hatte nur drei Einheiten mit dem Team. In den Trainingseinheiten haben mich alle super aufgenommen, ich konnte schon mal alle Namen lernen und habe mich direkt mit allen auf Anhieb gut verstanden. Zudem habe ich mich mit Gino Windmüller, mit dem ich dann ja in meinem ersten Spiel gegen Wiedenbrück in der Innenverteidigung zusammen gespielt habe, lange unterhalten. Das hat bei uns beiden von Anfang an gepasst und wir haben in den Einheiten schon gut in der Abwehr funktioniert. Demnach hatte ich auch direkt ein gutes Gefühl, dass das für Samstag klappen kann. Wir haben zum Glück auch als Mannschaft da ein super Spiel hingelegt, das war natürlich umso schöner, mein erstes Spiel auch direkt zu gewinnen."

AM BALL: In der Zeit waren viele Verteidiger beim FCB verletzt. Hast du Druck gespürt, diese Rolle erfolgreich auszufüllen?

"Nein, das würde ich nicht sagen. Ich wusste, was von mir verlangt wurde. Ich bin natürlich in einer Phase in das Team gekommen, als einige der Innenverteidiger verletzt waren, es musste auch viel umgestellt werden. Ich wusste, dass ich da gerade eine Lücke füllen muss. Ich wollte meinen Job hinsichtlich Zweikampfführung und der Härte im Spiel in der Innenverteidigung von der ersten Minute an bestmöglich umsetzen, aber habe da keinen Druck verspürt. Da hat auch der gute Zusammenhalt der Mannschaft hinein gespielt und wie die Jungs mich hier aufgenommen haben. Auch die guten Gespräche mit Gino haben mir sehr geholfen, dass wir da gut als Einheit funktionieren konnten. Spätestens nach fünf Minuten im Spiel ist das sowieso verflogen, dann bin ich mit meinem vollen Fokus im Spiel und versuche immer alles zu geben."

AM BALL: Seitdem hast du jedes Spiel in der Liga durchgespielt. Jetzt wurdest du von den Fans zum Spieler der Hinrunde gewählt. Wo siehst du deine Stärken?

"Erst einmal ein großes Dankeschön an die Fans für diese Auszeichnung, das freut mich sehr. Ich muss aber auch dazu sagen, die Auszeichnung hätte wirklich jeder aus dem Team verdient. Seitdem ich da bin, zeigt jeder Top-Leistungen und jeder Einzelne hat in der Hinrunde gut gespielt. Als echtes Team so gut zu funktionieren, das ist schon herausragend. Eine meiner fußballerischen Stärken ist, insbesondere in der jetzigen Saison, mein Spielaufbau. Den konnte ich durch den konstanten Einsatz in der Innenverteidigung sehr verbessern. Meine wohl größte Stärke ist gerade gegen den Ball, mein Kopfballspiel und meine Zweikampfführung. Darunter würde ich meine Robustheit und sportliche Aggressivität in den Zweikämpfen zählen. Ich versuche meine Stärken im Spiel immer gezielt einzusetzen und auch immer weiter auszubauen."

AM BALL: Hast du zum Zeitpunkt deines Wechsels damit gerechnet, dass ihr bereits nach dem 16. Spieltag die Herbstmeisterschaft feiern könntet?

"Ich habe damit gar nicht gerechnet, aber es ist natürlich super, dass es so gekommen ist. Das ist einfach nur eine starke Leistung und wirklich etwas Besonderes. Wir sind vor und über die Saison hinweg immer besser geworden. Wir haben uns als Team immer besser gefunden und haben im Training immer eine hohe Intensität gezeigt. Das versuchen wir dann auch am Wochenende auf den Platz zu bringen. Jeder Sieg und jeder Punkt, den wir bis dato auf unserem Konto haben, haben wir uns hart erarbeitet. Uns wurde in dieser Saison nichts geschenkt oder leicht gemacht. Wir haben es immer irgendwie geschafft, unsere 100% auf den Platz zu bekommen und das spiegelt sich in unseren Ergebnissen wider. Wir haben uns immer auf jedes Spiel einzeln fokussiert und jetzt am Ende der Hinrunde stehen wir dann da oben, was man wahrscheinlich vorher nicht gedacht hätte, aber wir sind natürlich glücklich."

AM BALL: In Bocholt spielt ihr oft vor einer ausverkauften Kulisse, wie nimmt man diese Stimmung im Spiel wahr?

"Die Stimmung in Bocholt ist einmalig. Das Stadion an sich hat schon einen gewissen Flair durch die Nähe, also dass die Fans so nah am Spielfeldrand sind. Dann der lange Weg zum Spielfeld durch den Tunnel. Das Besondere zeigt sich auch an der Stimmung. Natürlich hat Preußen Münster noch mehr Leute im Stadion, da hast du natürlich auch eine starke Stimmung, aber in Bocholt fühlen sich die 2.000 bis 3.500 Fans, die immer da sind, auch nach viel mehr an. Die Fans sind immer direkt im Spielgeschehen dabei, fiebern mit und das hört man auch als Spieler. Diese besondere Atmosphäre im Stadion motiviert dann auch nochmal zusätzlich. Wir bekommen nach dem Spiel auch oft Feedback von unseren Fans. Sie freuen sich auf das nächste Spiel und finden es schön zu sehen, dass wir als Einheit auf dem Platz auftreten. Ich hoffe, dass wir die Fans weiterhin so begeistern können und zahlreich an den Hünting und auch zu den Auswärtsspielen kommen."

AM BALL: In der Öffentlichkeit wird angesichts eures Erfolgs aktuell hitzig über einen möglichen Aufstieg diskutiert. Wie nehmt ihr diesen Rummel in der Mannschaft wahr?

"Um das vorweg zu nehmen: Der Aufstieg ist für uns im Team noch kein Thema, dafür ist die Saison noch zu lang. Der Klassenerhalt war das Ziel und ist es auch nach wie vor. Die Punkte, die wir bereits haben, könnten natürlich schon für den Klassenerhalt reichen, aber wir wollen noch ein paar Punkte holen. Wir können auf jeden Fall befreit aufspielen, einfach weiterhin Spaß haben und die derzeitige Situation genießen. Ich glaube, uns als Mannschaft zeichnet aus, dass wir uns so gut verstehen und der Teamgeist unfassbar stark ist. Ich habe es selten in einem Team erlebt, dass sich alle so gut untereinander verstehen. Wenn wir das beibehalten, dann bleibt der Spaß und die Leichtigkeit auch. Das wirkt sich auch vor allem im Training aus. Jeder gibt alles und auch am Wochenende auf dem Spielfeld. Wenn wir diesen Zusammenhalt auch in der Rückrunde weiterhin zeigen, holen wir sicher auch noch ein paar Punkte und können das weiter so ausspielen wie bisher. Wir wissen auch, wie stark andere Vereine in der Liga sind. Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich sagen, dass ich noch nie eine Mannschaft gesehen habe, die eine komplette Saison ohne Straucheln oder eine schlechtere Phase durch die Rückrunde gegangen ist. Da wird jede Mannschaft noch mal Punkte liegen lassen und vielleicht auch Punkte holen, mit denen man nicht rechnet."

Diese besondere Atmosphäre im Stadion motiviert dann auch nochmal zusätzlich.

Lukas Frenkert

AM BALL: Das Feld in der oberen Tabellenhälfte ist aber auch sehr eng. Wen siehst du am Ende der Saison an der Tabellenspitze?

"Ich denke, dass alle Vereine, die da oben stehen, das Potenzial haben, diese Konstanz über die ganze Rückrunde zu halten. Natürlich haben Vereine wie Aachen, aber auch Wuppertal eine Wucht an Topspielern und natürlich werden sie von sehr sehr vielen Fans unterstützt. Ich glaube schon, dass diese Vereine dadurch lange oben dabei sein werden bzw. das Feld noch enger wird. Wenn wir unseren Job machen, dann werden wir noch ein paar Punkte holen und weiter da oben mitspielen. Jemanden auszumachen, der am Ende der Saison an der Spitze steht, ist zum jetzigen Zeitpunkt sehr schwer."

AM BALL: Du bist letzte Saison mit Preußen in die dritte Liga aufgestiegen, du kennst also das Gefühl und auch den Weg dorthin. Mit dem 1. FC Bocholt seid ihr jetzt Tabellenführer und Herbstmeister. Was ist für die Rückrunde wichtig, damit ihr um den Aufstieg mitspielen könnt?

"Ich denke, da sprechen wir über Dinge, die wir nur selbst beeinflussen können und die versuchen wir, solange es geht, aufrechtzuerhalten. Das heißt, dass wir unsere Intensität von Woche zu Woche im Training und am Wochenende im Spiel auf den Platz bekommen, dass wir einfach bei uns bleiben, dass wir nicht links und rechts gucken, was machen die anderen Teams oder uns irgendwie auf andere Ergebnisse verlassen, sondern dass wir einfach unser Spiel durchziehen. Wir sind wie von Spiel zu Spiel besser geworden, sowohl gegen den Ball als auch mit dem Ball. Am besten wäre es, wenn wir diese Entwicklung fortführen könnten. Wir haben auf jeden Fall noch Luft nach oben in vielen Bereichen und das ist ja eigentlich schön zu wissen. Daher gilt es einfach, dass wir in der Rückrunde demütig, aber konstant weiterhin auf dem Platz zeigen, was wir bisher zeigen konnten."

AM BALL: Du hast von Münster einen zwischenzeitlichen Ausflug nach Gelsenkirchen gemacht zur zweiten Mannschaft von Schalke. Warum hast du dich für diesen Wechsel entschieden?

"Da ich meine gesamte Jugend in Münster verbracht habe, wollte ich gerne etwas Neues sehen und Erfahrungen sammeln, wie es bei anderen Vereinen läuft. Diese Erfahrung habe ich dann für ein Jahr gemacht und bin anschließend aber wieder zu Preußen Münster zurückgekehrt. Dort wusste ich, was ich am Verein habe und wie es läuft."

AM BALL: Es ist ja auch nicht alltäglich, dass ein Spieler seine gesamte Jugend bei einem Verein spielt.

"Ich komme aus Ochtrup und in der Ecke ist Münster der einzige Profiverein im Jugendfußball. Die Alternative wäre Osnabrück gewesen, der Rest Richtung Ruhrgebiet wäre ein zu großer Aufwand neben der Schule gewesen. Mir war es auch ganz wichtig, dass ich auf der Schule in Ochtrup bei meinen Freunden bleibe und dort mein Abitur machen kann. Nebenbei wollte ich aber auch eben schon den Fokus auf den Fußball legen. Da war Münster die beste Option für mich."

AM BALL: Wie stark war denn die Belastung mit Schule und Fußball für dich in der Zeit?

"Es ist schon nicht einfach, beides in so jungen Jahren zu vereinen. Ich bin mit zehn Jahren zu Twente Enschede gewechselt, da hat es mit dem Leistungssport angefangen. Mit 14 Jahren habe ich bei Preußen Münster angefangen und bin nach der Schule immer eine Stunde nach Münster zum Training gefahren. Während der Zugfahrt habe ich meine Hausaufgaben gemacht und war dann meistens gegen 21 Uhr wieder Zuhause und dann ging es eigentlich auch schon direkt ins Bett. Ich hab durch den Fußball natürlich hin und wieder Geburtstage oder Partys mit den Freunden verpasst, aber auch immer in dem vollen Bewusstsein, dass ich mir das selber ausgesucht habe und das gerne mache. Ich hatte schon immer das Ziel, höchstmöglich Fußball zu spielen. Im Nachhinein muss ich jetzt schon sagen, dass es gerade für einen Jungen in dem Alter ein sehr hoher Aufwand war. Ich weiß aber auch, dass ich es in dem Alter sehr gern gemacht habe. Deshalb bin ich froh, diesen Weg gegangen zu sein. Dadurch habe ich auch schöne Zeiten und Momente erleben können."

AM BALL: Welches war denn dein schönster Moment im Fußball

"Das war wohl der Aufstieg mit Preußen. Obwohl ich die gesamte Hinrunde verletzt war und in der Rückrunde nur Einsätze nach Einwechslungen bekommen habe, war es ein unfassbares Erlebnis."

AM BALL: Du hast erwähnt, dass es dir wichtig war, neben dem Fußball auch auf der Schule bei deinen Freunden zu bleiben und dein Abitur zu machen. Trotzdem lag dein Fokus auf dem Fußball. Wie sieht es heute aus?

"Ich konzentriere mich 100% auf den Fußball und lege da meinen vollen Fokus rein, da ich auch den Großteil meiner Jugend in den Sport investiert habe. Nebenbei studiere ich aber auch noch Sportmanagement an einer Fernuni. Ich versuche, da neben dem Training immer ein bisschen voranzukommen und auch was für die Psyche zu tun und mich weiterzubilden. Ich finde es wichtig, seine Bildung und seinen Wissensstand nicht zu vernachlässigen im Laufe der Jahre. Wenn man mal ehrlich ist, muss man ja schon sagen, dass mit spätestens 35 Jahren die Karriere als Fußballer, egal wohin sie führt, zu Ende ist. Dann möchte ich anschließend ohne große Pause weitermachen und in einem Bereich arbeiten, der mich interessiert."

AM BALL: Vielen Dank für das Gespräch, Lukas!