Janssen: Wir müssen bis zum Ende alles geben
Jarno Janssen entschied sich im Sommer, den Schritt aus den Niederlanden nach Bocholt zu wagen. Der 23-jährige spielte zuvor in der zweiten niederländischen Liga und musste in jungen Jahren schon mit einigen Verletzungen umgehen. Wir haben mit Jarno über seine bisherige Laufbahn und die Ziele mit dem FCB gesprochen.
AM BALL: Im Sommer bist du kurz vor Ligastart nach Bocholt gewechselt. Wie kam der Wechsel zustande?
Jarno Janssen: "Mein Vertrag beim FC Eindhoven ist ausgelaufen. Ich war ca. vier Wochen ohne einen Verein, habe aber bei anderen Mannschaften trainiert. Dann hat mein Berater mich angerufen und gesagt, dass der 1. FC Bocholt Interesse an mir zeigt. Wir haben uns anschließend mit Christopher Schorch und dem Trainer zusammengesetzt. In dem Gespräch wurde mir viel Vertrauen geschenkt und die Idee, die mir vorgestellt wurde, hat mir gefallen. Daraufhin habe ich schnell die Entscheidung getroffen und in Bocholt unterschrieben."
AM BALL: Gleich in deinem ersten Spiel durftest du von Beginn an ran. Wie konntest du den Trainer von deinem Einsatz in der Startelf überzeugen?
"Es war erst nicht klar, ob ich an dem Spieltag schon spielberechtigt bin, da der Wechsel so kurz vor dem Spiel stattgefunden hat und ich aus dem Ausland nach Deutschland gewechselt bin. Das dauert bei internationalen Wechseln meistens ein bisschen, bis man die Freigabe bekommt. Die zwei Trainingseinheiten in der Woche vor dem Spiel waren auch meine ersten Einheiten mit der Mannschaft. Es war erstmal schwer ins Team zu kommen, da mein Deutsch damals noch nicht so gut war. Wir haben gehofft, dass der Verband mich bis zum Wochenende freigeben wird und bis zum Freitag stand es noch aus, ob ich spielen darf. An dem Freitag hat mich der Coach angerufen und gesagt, dass ich spielberechtigt bin. Anscheinend habe ich im Training gut überzeugt, so dass er mich direkt von Beginn an hat spielen lassen. Ich war sehr froh, dass er mir direkt das Vertrauen geschenkt hat."
AM BALL: Dann allerdings der große Rückschlag, als du in der 37. Minute verletzt ausgewechselt werden musstest. Anschließend hast du einige Spiele verpasst. Wie hast du dich dann mit deiner Verletzung zurück in die erste Mannschaft gekämpft?
"Erstmal muss man die Verletzung aushalten. Dagegen kann man in dem Moment nichts machen. Ich habe dann mit der Reha in Bocholt gestartet und auch eine Woche in den Niederlanden, um schnell wieder fit zu werden. Anschließend habe ich langsam wieder angefangen zu trainieren. Die Jungs haben mich auch wieder gut im Training aufgenommen. Lukas Frenkert und Gino Windmüller haben einen super Job in der Innenverteidigung gemacht. Ich habe dann meinen ersten Einsatz nach der Verletzung gegen Gütersloh bekommen, als sich dann Gino leider verletzt hat. Seitdem haben Lukas und ich uns in der Innenverteidigung gut eingespielt und ich habe mir den Platz in der Startelf erarbeitet."
Ich bin sehr froh, dass ich im letzten Jahr in die Innenverteidigung gerückt bin, da fühle ich mich am wohlsten.
AM BALL: Wie wurdest du trotz der Verletzung in die Mannschaft aufgenommen?
"Es war am Anfang alles ein bisschen schwer. Ich konnte zu Beginn nicht so gut Deutsch sprechen und dann kam die Verletzung dazu. Niederländisch können nur Haris Mesic, Marc Beckert und Brian Campman, das war am Anfang von Vorteil. Während die Jungs draußen zusammen trainiert haben, war ich bei der Physio und demnach nicht direkt beim Team dabei. Als ich dann zurück ins Mannschaftstraining konnte, wurde alles einfacher für mich. Ich konnte mehr mit den Jungs reden, dadurch ist mein Deutsch automatisch besser geworden und ich habe den Anschluss an das Team immer besser gefunden."
AM BALL: Du hattest in deiner jungen Karriere auch schon einen Kreuzbandriss und andere Verletzungen. Wie gehst du damit um?
"Nach so schweren Verletzungen lernt man seinen Körper besser kennen und versucht mehr darauf zu hören, was er einem sagt. Man kann beispielsweise Schmerzen besser einschätzen. Ich achte seitdem viel mehr auf meine Gesundheit und bin da etwas vorsichtiger geworden. Wenn ich merke, dass ich irgendwo Schmerzen habe, spreche ich zuerst mit dem Trainer darüber und dann finden wir eine Lösung für das Training oder Spiel. Man kann da gut mit ihm reden. Zudem versuche ich mich auch mit Krafttraining fit zu halten, um einer Verletzung entgegenzuwirken. Kommt es dann doch einmal zu einer Verletzung, versuche ich trotz allem immer positiv zu bleiben. Die ersten Wochen sind dabei besonders schwer, aber schlussendlich möchte ich so lang wie möglich Fußball spielen und ich kämpfe mich immer wieder zurück."
AM BALL: Zuletzt hast du beim FC Eindhoven in der zweiten holländischen Liga gespielt. Kann man diese vom spielerischen Niveau mit der Regionalliga vergleichen?
"In den Niederlanden, besonders in der zweiten Liga, liegt der Fokus mehr auf dem taktischen Fußball und dem Spiel mit dem Ball. In der Regionalliga wird viel körperbetonter gespielt und die Intensität ist viel höher als in den Niederlanden. Zweikämpfe werden hier viel häufiger und härter geführt."
AM BALL: Auch den Sprung in den Herrenbereich hast du beim FC Eindhoven geschafft. Was hat dich ausgezeichnet, dass du den Sprung aus der U17 in die erste Mannschaft geschafft hast?
"Der FC Eindhoven hatte in dem Jahr, als ich dort in der U17 gespielt hatte, keine U21 bzw. zweite Mannschaft, in der junge Spieler an den Herrenfußball herangeführt werden. Ich habe ein Jahr in der U17 gespielt und im nächsten Jahr habe ich dann in der ersten Mannschaft gespielt. Ich durfte während meiner Zeit in der U17 schon zweimal in der Woche bei der ersten Mannschaft mittrainieren. Dadurch hatte ich schon Erfahrungen im Herrenbereich und habe den Trainer dort von mir überzeugt, sodass ich nach der U17 direkt einen Platz im Kader der ersten Mannschaft bekommen habe."
AM BALL: An welches Spiel erinnerst du dich am liebsten zurück?
"Das war das Pokal-Achtelfinale gegen den FC Utrecht. Ich durfte bei dem Match von Beginn an starten, das Stadion war voll und Utrecht war ein sehr guter Gegner. Wir haben leider in der Verlängerung verloren, aber ich habe bei dem Spiel eins meiner besten Spiele gemacht. Das war ein Spieltag, der mir immer in Erinnerung bleibt.
Auch an das Playoff-Spiel für die erste Liga mit dem FC Eindhoven gegen Almere City im letzten Jahr erinnere ich mich gerne. Ich durfte das erste Mal in den Playoffs in der Startelf spielen. Wir haben 1:0 gewonnen und das Ergebnis hat sich sehr positiv auf die Stimmung in der Mannschaft ausgewirkt. Ich habe im Anschluss an das Spiel auch von vielen Leuten ein positives Feedback bekommen. Wir haben im Rückspiel leider in der Verlängerung verloren und konnten dadurch nicht aufsteigen."
AM BALL: Deine derzeitige Position ist die Innenverteidigung. Gab es auch schon andere Positionen, auf denen du eingesetzt wurdest?
"Ich habe vorher auch oft auf der Linksverteidiger-Position gespielt. Ich bin aber sehr froh, dass ich im letzten Jahr in die Innenverteidigung gerückt bin, da fühle ich mich am wohlsten."
AM BALL: Wie bringst du deinen Stärken als Innenverteidiger ein, um die Mannschaft auf dem Spielfeld zu unterstützen?
"Das Wichtigste, vor allem für Lukas Frenkert, Lucas Fox und mich ist, dass wir versuchen, als Verteidigung die Null zu halten. Denn dann muss vorne nur ein Tor fallen und wir haben die drei Punkte sicher. Die Absprache mit Lukas Frenkert ist da sehr wichtig, da wir gemeinsam die Innenverteidigung bilden und wir gegenseitig voneinander abhängig sind. Die Kommunikation zwischen uns beiden klappt sehr gut, auch im Zusammenspiel mit Lucas Fox. In der Innenverteidigung muss ich vor allem die Zweikämpfe gewinnen, da danach schon das Tor kommt und außer Fox keine Absicherung mehr ist. Man braucht viel Selbstvertrauen sowohl in den Zweikampfsituationen bei einem Angriff als auch wenn wir im Spielaufbau sind. Meine Stärken sind vor allem meine Kopfbälle und das direkte Eins gegen Eins."
AM BALL: Lange Zeit war Bocholt auf Platz eins, wie geht ihr nun mit der Verfolgerrolle um?
"Es ist natürlich ärgerlich, dass wir jetzt sechs Punkte Rückstand auf Aachen haben. Aber wir haben noch neun Spiele, das heißt wir können noch 27 Punkte holen. Alles ist noch möglich und da müssen wir gemeinsam als Team und Verein an einem Strang ziehen, um den Traum vom Aufstieg aufrechtzuerhalten. Wir dürfen die Köpfe nicht hängen lassen. Am Ende der Saison sehen wir, wer dort oben steht und egal wer dort steht, wir dürfen uns nur nicht vorwerfen, nicht alles gegeben zu haben. Wir schauen natürlich nach unserem Spiel auch auf die Ergebnisse auf den anderen Plätzen, aber wir schauen primär erstmal auf uns selbst und arbeiten uns von Spiel zu Spiel, ohne uns von Ergebnissen beeinflussen zu lassen. Wir trainieren weiterhin hart und es geht auch nicht nur gegen Aachen um den Aufstieg, da spielen auch noch andere Mannschaften oben mit."
Am Ende der Saison sehen wir, wer dort oben steht und egal wer dort steht, wir dürfen uns nur nicht vorwerfen, nicht alles gegeben zu haben.
AM BALL: Du bist jetzt ungefähr ein halbes Jahr hier beim 1. FC Bocholt. Was ist dein erstes Zwischenfazit, wie ist dein persönlicher Entwicklungsschritt?
"Der Anfang war besonders mental schwer. Ich war sehr motiviert und hatte große Hoffnung direkt viel zu spielen und dann kam die Verletzung. Der Anschluss an die Mannschaft war dadurch am Anfang auch etwas schwierig und eine Verletzungspause direkt am Anfang der Saison im neuen Verein ist nicht leicht. Dass mein Deutsch am Anfang noch nicht so gut war, hat da natürlich auch mit reingespielt und die gesamte Situation nicht einfacher gemacht. Der Start mit der Verletzung war wie gesagt sehr schwierig für mich, auch mental. Ich denke, ich bin an dieser Situation aber gewachsen. Als ich die Verletzung durchgestanden hatte, ging es bergauf. Ich hatte besseren Anschluss zum Team, konnte im Training endlich Vollgas geben und mich beweisen, bekam Spielpraxis und konnte der Mannschaft schließlich auf dem Platz helfen. Natürlich ist mein Deutsch über die Zeit viel besser geworden, das ist für mich neben dem Fußball eine positive Entwicklung. Ich fühle mich mittlerweile sehr wohl beim 1. FC Bocholt. Ich merke auch, dass ich in meiner Zweikampfführung einen Fortschritt gemacht habe und dass ich durch den körperlichen Fußball hier in Deutschland robuster und auch noch fitter geworden bin."
AM BALL: Was machst du in deiner Freizeit?
"Wenn ich in Bocholt bin, dann gehe ich neben dem Training noch zusätzlich im Fitnessstudio trainieren, um mich weiter fit zu halten. Ansonsten verbringe ich viel Zeit mit meinen Freunden in den Niederlanden. Sonntags trainiere ich noch in einer Fußballschule Kinder. Das macht mir sehr viel Spaß und ich kann mir sehr gut vorstellen, später auch Trainer zu werden."
AM BALL: Danke für das Gespräch, Jarno!