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Foto: Max Möllmann

Interview
Dienstag, 14.05.2024 18:45 Uhr

Bogdan Shubin: Wir sind als Team gewachsen

Bogdan Shubin ist aus der Startelf von Coach Dietmar Hirsch nicht mehr wegzudenken. Der 21-jährige Ukrainer kam 2015 nach Deutschland und konnte hier mit seinem Talent überzeugen. Seine Jugend hat Shubin im Nachwuchsleistungszentrum von Schalke 04 verbracht und konnte sich auch einen Platz in der ukrainischen U17-Nationalmannschaft sichern. Bogdan erzählt uns im Interview über seine bisherigen Stationen und zieht ein Fazit zu seiner ersten erfolgreichen Saison beim 1. FC Bocholt.

AM BALL: Wie sahen deine ersten Schritte im Fußball aus?

Bogdan Shubin: "Ich habe sehr früh mit meinem Papa angefangen, zu Hause Fußball zu spielen. Mein Papa war dabei ein wenig wie mein eigener Trainer und unterstützte mich dadurch sehr. Obwohl er selbst nie professionell Fußball gespielt hat, ist er ziemlich gut am Ball und unterstützt mich voll und ganz in meinem Vorhaben. Ich hatte dann die Chance ein Probetraining bei Donezk zu absolvieren. Das Probetraining war eigentlich für den Jahrgang über mir gedacht, aber ich konnte die Trainer überzeugen und durfte daraufhin ein Jahr lang mit den älteren Spielern trainieren, bevor ich im darauffolgenden Jahr dann in meinem eigenen Jahrgang spielte. Ich hatte damals auch keine Probleme, mich bei den älteren Spielern durchzusetzen. Donezk ist das beste Team in der Ukraine, daher konnte ich dort wirklich viel lernen und war sogar Kapitän in den Jugendmannschaften. Meine Opas brachten mich immer zum Training. Dass mir meine Familie schon in jungen Jahren solche Möglichkeiten eröffnet hat, dafür bin ich wirklich dankbar."

AM BALL: 2015 bist du mit deiner Familie aus der Ukraine nach Koblenz umgezogen. Wie hast du damals in Deutschland Anschluss gefunden?

"Damals hatte ich wirklich Respekt vor dem Umzug und ich stellte es mir sehr schwer vor. Ich hatte auch wenige Vorkenntnisse in Deutsch. Wir sind damals nach Koblenz gezogen, weil bereits ein großer Teil meiner Familie dort lebte. Letztendlich war es überhaupt nicht so schlimm, wie ich befürchtet hatte. Ich ging ganz normal zur Schule und begann direkt beim TuS Koblenz Fußball zu spielen. Ich fand mich überraschend schnell in der Schule und auch im Fußball zurecht. Durch diesen Alltag konnte ich auch die Sprache schnell lernen und verstehen. TuS Koblenz war der beste Verein in der Umgebung und nach einem erfolgreichen Probetraining durfte ich dort dann regelmäßig trainieren. Im Team fand ich auch jemanden, mit dem ich Russisch sprechen konnte, was die Kommunikation anfangs deutlich erleichterte. Fußball war für mich ein guter Rückhalt während des Umzugs. Das Schöne am Fußball ist: Man kann auch ohne Sprache gemeinsam spielen."

AM BALL: Nach TuS Koblenz bist du dann den Schritt zu Schalke 04 gegangen. Wie ist es dazu gekommen? 

"In Duisburg-Wedau gibt es jedes Jahr Vergleichsturniere der verschiedenen Auswahlmannschaften. Der Trainer der Auswahl hatte mich zunächst nicht für den Kader nominiert, mit der Begründung, dass ich zu klein und noch nicht bereit sei. Einen Tag vor dem Turnier verletzte sich jedoch ein Torwart aus dem Kader, und der Trainer rief mich an, um mich nachzunominieren. So konnte ich doch noch teilnehmen und zeigte bei dem Turnier meine beste Leistung. Dadurch erhielt ich einige Angebote von Nachwuchsleistungszentren in NRW. Ursprünglich wollte ich zum 1. FC Köln, aber am Ende gab es vertragliche Probleme, weshalb ich mich letztendlich für Schalke 04 entschieden hab. Im Nachhinein würde ich sagen, dass Schalke die bessere Wahl war und ich mit meinem Schritt alles richtig gemacht habe. Es passte einfach gut mit S04, daher verbrachte ich meine gesamte Jugendzeit dort. Besonders bei Schalke waren immer die Derbys gegen Borussia Dortmund. Schon in der Jugend war das ein großes Ereignis."

Das Schöne am Fußball ist: Man kann auch ohne Sprache gemeinsam spielen.

Bogdan Shubin

AM BALL: Mit deinem Wechsel zu Schalke musstest du ein weiteres Mal umziehen. Wie war es für dich, so weit weg von deiner Familie zu sein?

"Im ersten Jahr habe ich mit zwei anderen Spielern bei einer Gastfamilie gewohnt, bevor ich dann ins Internat gezogen bin. Später hatte ich dann meine eigene Wohnung in Gelsenkirchen. Am Anfang war es schon sehr schwer, zum ersten Mal weg von meiner Familie zu sein. Besonders wenn Schule oder Fußball nicht gut liefen und es stressig wurde, war es schwierig, da niemand vor Ort war, der mich unterstützen konnte. Mit der Zeit wurde es jedoch besser, ich hatte mich daran gewöhnt. Mein Papa schaute sich auch oft meine Spiele an und danach konnte ich mit ihm für das restliche Wochenende nach Hause nach Koblenz fahren. "

AM BALL: Du durftest in deiner noch jungen Karriere auch für dein Heimatland Ukraine in der U17 auflaufen. Wie hast du von deiner Nominierung für die U17 Nationalmannschaft erfahren?

"Ich hatte ein Gespräch mit dem Trainer der Nationalmannschaft. Er hatte mich zu einem Freundschaftsturnier eingeladen, nachdem er mich bereits beobachtet und positive Rückmeldungen von den Spielern erhalten hatte, die bereits im Team waren. Mit einigen von ihnen habe ich bereits in der Jugend zusammen gespielt. Bei diesem Turnier konnte ich den Trainer dann von meiner Leistung überzeugen, sodass ich auch für weitere Spiele nominiert wurde."

AM BALL: Du wohnst in Deutschland und hattest mit der Nationalmannschaft internationale Spiele im Ausland. Wie läuft sowas organisatorisch ab?

"Der ukrainische Fußballverband kümmerte sich um die Anreise und die Unterkunft vor Ort. Ich musste eigentlich nur meine Tasche packen und zum Flughafen gehen. Vor Ort fühlte es sich meistens wie ein kleines Trainingslager an, nur mit mehr Testspielen. Es sei denn, es handelte sich um etwas Offizielles wie die EM-Qualifikation. Im Jahr 2019 durfte ich an zwei Gruppenspielen teilnehmen. Wir wurden Gruppenerster, aber leider wurde die EM dann wegen Corona abgesagt, was sehr schade war. Dennoch war es eine äußerst schöne Erfahrung, die ich gerne noch einmal erleben würde. Für sein Land spielen zu dürfen, ist wirklich eine Ehre."

Bogdan Shubin erzielte das 2:0 im Hinspiel gegen Rot Weiss Ahlen. Foto: Monika Gajdzik

AM BALL: Welche Unterschiede kannst du zwischen deinen Fußballstationen in der Ukraine und Deutschland festmachen?

"Die Qualität zwischen Donezk und TuS Koblenz war definitiv unterschiedlich. In Donezk wurde aufgrund der Professionalität des Vereins mehr Wert auf Technik gelegt, während in Koblenz der Fokus eher auf Spaß lag. Auf Schalke konnte man die Jugendarbeit schon mehr mit den Schwerpunkten von Donezk vergleichen. Hier würde ich sagen, dass sich Profivereine nur in Kleinigkeiten voneinander unterscheiden."

AM BALL: Nach drei Jahren in der Knappenschmiede kam dann der Schritt zur U23. Es folgte der erste Rückschlag deiner Karriere, weil du keine Spielzeit erhalten hast. Wie bist du damit umgegangen um trotzdem weiter den Schritt Richtung Profifußball zu gehen und nicht aus den Augen zu verlieren?

"Das war ein hartes Jahr für mich. In allen anderen Mannschaften bei Schalke habe ich immer meine Spielzeit bekommen. Am Anfang war es ein Schock für mich, als mir bereits in der Vorbereitung gesagt wurde, dass ich keinen Einsatz bekommen werde, egal wie sehr ich mich anstrenge. Das hat mich sehr beschäftigt und ich habe mir lange Zeit den Kopf darüber zerbrochen. An meinen Trainingsleistungen konnte ich dann auch merken, dass ich nicht mehr meine volle Leistung bringen konnte. Das war das erste Mal, dass mir bewusst wurde, welche enorme Rolle das Mentale im Sport spielt. In dieser Zeit waren meine Freunde und meine Familie eine große Stütze für mich. Ich habe es schließlich irgendwann geschafft, den Schalter umzulegen. Letztendlich habe ich mir gesagt, dass ich für mich selbst trainiere, um weiter im Profifußball bestehen zu können, unabhängig vom Trainer. Am Ende hat sich das ausgezahlt, denn Christopher Schorch kam auf mich zu und machte mir das Angebot, zum 1. FC Bocholt zu wechseln."

AM BALL: Du bist seit letztem Sommer hier am Hünting. Wie war deine Eingewöhnung und welchen Unterschied zu Schalkes U23 siehst du?

"Ich hatte mir den Unterschied schon größer vorgestellt als er tatsächlich war. In der U23 sind die meisten Spieler in meinem Alter. Da der Kader der Mannschaft bei meinem Wechsel noch nicht vollständig war, dachte ich zunächst, dass hier mehr ältere Spieler sein würden und ich möglicherweise nicht sofort Anschluss finden könnte. Zum Glück hat sich das jedoch nicht bestätigt. Wir haben im Team eine super Mischung aus erfahrenen Spielern und jüngeren. Generell ist unsere Teamchemie so gut, dass man die Unterschiede kaum merkt. Ich habe mich hier direkt wohlgefühlt. Unser Team hat in dieser Saison einfach perfekt harmoniert, was sich auch in unserer Leistung und letztendlich in der Tabelle widerspiegelt. Auf das Training bezogen gibt es schon ein paar Unterschiede. Beim FC ist es etwas intensiver und der Fokus liegt auf anderen Inhalten. Hier geht es einfach abgezockter zu als in einer U23-Mannschaft."

Wir haben im Team eine super Mischung aus erfahrenen Spielern und jüngeren. Ich habe mich hier direkt wohlgefühlt.

Bogdan Shubin

AM BALL: Du bist fester Bestandteil der 1. Mannschaft und startest die Spiele von Beginn an. Mit welchen Stärken konntest du den Coach überzeugen?

"Ich denke, dass ich schon ein gutes Fußballverständnis habe. Außerdem bringe ich eine gute Technik mit, die mich im Eins-gegen-Eins auszeichnet. Auf dem Platz bin ich mir auch für keinen Zweikampf zu schade und spule auch einige Kilometer ab."

AM BALL: Kurz vor Saisonende ist es an der Zeit das ein oder andere Fazit zu ziehen. Wie fällt dabei dein persönliches Fazit aus, wie zufrieden bist du mit deiner Entwicklung?

"Gerade nach meiner Zeit auf Schalke war es für mich sehr wichtig, wieder Spielpraxis zu bekommen. Es war keineswegs selbstverständlich, dass ich nach einem Jahr ohne Spielzeit und der dadurch fehlenden Erfahrung hier direkt so viel Einsatzzeit erhalte. Das war für meine Entwicklung wirklich entscheidend und hat mir sehr geholfen. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich würde sagen, dass ich in dieser Saison wirklich im Herrenfußball angekommen bin. Das stellt einen großen Schritt in meiner Entwicklung dar."

AM BALL: Von außen werdet ihr als das Überraschungsteam der Regionalliga tituliert. Wie fällt dein Fazit zur Saison des FCB aus?

"Im Team haben wir uns alle gegenseitig ergänzt. Jeder hat das Team an erster Stelle gesehen und hat seine Stärken bestmöglich auf dem Platz eingebracht. Dadurch sind wir als Mannschaft gewachsen und stärker geworden. Wir konnten die Euphorie vom Anfang der Saison mitnehmen und durch diesen Schwung stehen wir jetzt oben in der Tabelle und kämpfen um die Vizemeisterschaft. Auch die Phase, in der es nicht so gut lief, haben wir als Team gemeistert. Wir haben in dieser Zeit vielleicht keinen schlechteren Fußball gespielt, uns hat lediglich das nötige Glück gefehlt, um in einigen Spielen ein Tor zu erzielen. Wenn wir in der Hinrunde noch aus drei bis vier Chancen zwei Tore gemacht haben, hatten wir in diesen Spielen sechs oder sieben Tormöglichkeiten und erzielten kein Tor. Das Spiel gegen Fortuna Köln kam dann zum richtigen Zeitpunkt und hat uns zusätzlichen Mut für die letzten Spiele der Saison gegeben."

In den Gesprächen über meine Zukunft viel es mir daher nicht schwer, mich dazu zu entscheiden, weiterhin im FCB-Trikot aufzulaufen

Bogdan Shubin

AM BALL: Du hast mit dem FC Bocholt einiges erlebt. Was ist dein persönliches Highlight der Saison?

"Das war eindeutig das Spiel in Aachen. Vor über 30.000 Zuschauern zu spielen, hatte ich bisher noch nicht erlebt. Als wir zum Aufwärmen aus dem Tunnel auf den Platz liefen, wurden wir zwar ausgepfiffen, aber die Atmosphäre sorgte trotzdem für Gänsehaut. Im Spiel merkt man das nach fünf Minuten nicht mehr, da liegt der Fokus ganz auf dem Spiel. Die Fans von Aachen standen schon vor dem Abpfiff am Spielfeldrand, und wir wussten nicht, wie die Stimmung uns gegenüber sein würde. Nach dem Spiel lief ich schnell in Richtung unserer Bank, wo mich dann auch schon ein guter Freund mit offenen Armen empfing. Im ersten Moment habe ich das auch gar nicht wahrgenommen, dass er auf dem Feld stand. Ich hab dann aber schnell gemerkt, dass die Situation mit allen Fans auf dem Platz sehr friedlich war. Einigen Aachen-Fans haben mich sogar für unsere gute Saison beglückwünscht. Es war alles in allem einfach ein unvergesslicher Spieltag und es fühlte sich nicht mehr wie Regionalliga an."

AM BALL: Du hast Anfang April deinen Vertrag bereits frühzeitig verlängert und spielst auch in der kommenden Saison für den FC Bocholt.

"In diesem Jahr hat einfach alles gepasst. Die Mannschaft war großartig, und ich habe meine Einsatzzeiten bekommen. Daher fühle ich mich hier in Bocholt sehr wohl. Ich wohne auch hier, und viele meiner Teamkollegen bleiben ebenfalls hier. In den Gesprächen über meine Zukunft fiel es mir daher nicht schwer, mich dazu zu entscheiden, weiterhin im FCB-Trikot aufzulaufen."

AM BALL: Wie gestaltest du deine Freizeit neben dem Fußball?

"In meiner Freizeit versuche ich so gut es geht vom Fußball abzuschalten. Ich verbringe viel Zeit mit meiner Freundin und unternehme auch hin und wieder etwas mit ein paar Jungs aus der Mannschaft. Zuhause wird dann auch gerne mal die Konsole angeschmissen, um ein bisschen abzuschalten."