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Foto: Monika Gajdzik

Interview
Montag, 05.08.2024 18:23 Uhr

Björn Mehnert: “Wir werden auf dem Rasen alles geben"

Einleitung: Unser neuer Cheftrainer Björn Mehnert schnürte selbst für Vereine wie Borussia Dortmund, Preußen Münster und Wuppertaler SV die Fußballschuhe. Schon während seiner aktiven Karriere war der UEFA-Pro-Lizenz-Inhaber an der Seitenlinie aktiv. Anschließend sammelte der 47-Jährige Coaching-Erfahrungen bei Vereinen wie Westfalia Rhynern, Rot Weiss Ahlen und dem Wuppertaler SV. Wir haben uns mit ihm zum Interview getroffen.

AM BALL: Die Vorbereitung ist vorbei, das erste Meisterschaftsspiel absolviert. Wie hast du dich bisher in Bocholt eingelebt?

Björn Mehnert: "Ich habe mich sehr gut eingelebt. Das war aber auch einfach, weil es hier in Bocholt sehr familiär ist. Alle waren von Anfang an herzlich, freundlich und haben mich offen empfangen. Dadurch fiel es mir leicht, mich sofort wohlzufühlen."

AM BALL: Wie kam es zu deinem Wechsel an den Bocholter Hünting?

"Ich habe Gespräche mit Christopher Schorch geführt. Wir standen schon länger in Kontakt, und ich habe den 1. FC Bocholt bereits zu Oberliga-Zeiten und auch in der Regionalliga beobachtet. Besonders die Tradition des Vereins und die Entwicklungen der letzten zwölf Monate, in denen Christopher Schorch und der Verein einen sehr guten Weg eingeschlagen haben, haben mich beeindruckt. Man sieht, wie das Projekt vom Umfeld angenommen wird, nicht nur von den Sponsoren, sondern auch von den Fans. Der Zuschauerschnitt hat sich positiv entwickelt, die Heimspiele sind gut besucht. Auch die Stadt hat beschlossen, sich bei der Infrastruktur zu engagieren. Dieser eingeschlagene Weg und das begonnene Projekt haben mich gereizt. Ich wollte einfach Teil dieser Reise sein."

AM BALL: Ihr habt eine intensive sechswöchige Vorbereitung hinter euch. Wie ist dein Fazit?

"Die Jungs sind alle sehr lernwillig und haben ein hohes Engagement gezeigt. Sie haben alles mitgezogen, auch bei den teilweise sehr harten und intensiven Trainingseinheiten, die zwei Stunden oder länger dauerten, selbst bei extremen Temperaturen. Wir haben uns eine gute Basis an Fitness erarbeitet und konnten auch spieltechnisch-taktische Aspekte gut trainieren. Das Gute ist, dass wir, abgesehen von Kelly Lunga, keine Verletzungen hatten. Das bedeutet, dass alle die Basis für eine hoffentlich erfolgreiche Saison gelegt haben."

AM BALL: Du hast vor der Saison das Entwicklungspotenzial deines Teams angesprochen. Wie hat sich das Team in den sechs Wochen entwickelt?

"Ich glaube schon, dass ein spielerischer Fortschritte zu sehen ist, aber das passiert nicht innerhalb von sechs Wochen, sondern braucht Zeit. Es ist eine andere Art von Fußball, den wir jetzt spielen wollen und der den Jungs auch gerecht wird. Die Basis muss jedoch weiterhin das sein, was letztes Jahr sehr gut funktioniert hat, neben dem Teamgeist muss die taktische Disziplin und das Spiel gegen den Ball immer die Grundlage bleiben. Das hat sich letztes Jahr bewährt und war erfolgreich. Jetzt wollen wir uns darüber hinaus auch im Offensivspiel weiterentwickeln."


Es ist eine andere Art von Fußball, den wir jetzt spielen wollen und der den Jungs auch gerecht wird.

Björn Mehnert

AM BALL: Wo siehst du besondere Stärken deines Teams?

"Ich würde vor allem unsere Flexibilität hervorheben. Wir haben viele polyvalente Spieler, die auf verschiedenen Positionen spielen können. Wir müssen jedoch darauf achten, dass wir nicht ständig wechseln und die Spieler auf unterschiedlichen Positionen einsetzen. Eine Fußballmannschaft braucht eine gewisse Basis, eine Orientierung und ein Gerüst, und das müssen wir uns in den ersten Spielen erarbeiten. Trotzdem denke ich, dass diese Flexibilität im Verlauf der gesamten Saison ein wichtiger Faktor für uns sein wird."

AM BALL: Gab es Spieler, die sich besonders stark in den Vordergrund gespielt haben?

"Mich haben alle überzeugt und wie gesagt, auch so ein junger Kasper Harbering, der aus der A-Jugend kommt, der sich mit Sicherheit erst an die Intensität des Seniorenfußballs sowohl im Training als auch im Spiel gewöhnen muss, der hat es klasse gemacht und er ist sofort vollwertiges Mitglied und ist auch in den Konkurrenzkampf mit eingestiegen."

AM BALL: Wie ist dein Eindruck von den Neuzugängen?

"Den Neuzugängen wurde es extrem einfach gemacht, weil die Mannschaft einen großartigen Teamgeist hat und tolle Charaktere in ihren Reihen sind. Dadurch war die Integration der neuen Spieler sehr einfach. Das ist definitiv etwas Positives. Wir haben bei den neuen Spielern neben der sportlichen Qualität auch darauf geachtet, dass sie menschlich zum bestehenden Kader passen. Man sieht, wie schnell die Mannschaft zu einer Einheit geworden ist. Es gibt keine Grüppchenbildung, wie es oft in Mannschaften vorkommt, ohne das negativ zu meinen. Hier in der Truppe kann jeder mit jedem, und das merkt man auch. Ich hoffe, dass die Jungs das auch auf dem Platz zeigen können."

AM BALL: Können sich die FC-Fans noch auf weitere Neuzugänge freuen oder bleibt der Kader so, wie er ist?

"Zunächst muss ich sagen, dass ich total überzeugt und extrem zufrieden mit der Mannschaft bin. Die Zusammenstellung und die Qualität, die wir haben, ist sehr stark und ich bin von jedem Einzelnen in diesem Kader überzeugt. Trotzdem ist der Kader mit 19 Feldspielern und drei Torhütern nicht sehr groß. Das bedeutet, wenn wir Verletzungen oder Sperren haben, die im Laufe der Saison unvermeidlich sind, wird es ziemlich eng. Dann wird die Trainingsgruppe auch kleiner. Deshalb halten wir Augen und Ohren offen. Aber wie ich zu Beginn gesagt habe, ist die Mannschaft sportlich super zusammengestellt. Wenn wir jemanden dazu holen, müssen wir total überzeugt sein, dass er uns sportlich sofort weiterhilft und auch charakterlich zu uns passt."


Das erste Pflichtspiel von Björn Mehnert gegen Fortuna Düsseldorf II. Foto: Monika Gajdzik

AM BALL: Ihr habt als Trainerteam Jan Holldack zum Kapitän ernannt, Marvin Lorch als Stellvertreter. Warum habt ihr euch für diese beiden entschieden?

"Zunächst einmal steht die sportliche Qualität der beiden Spieler außer Frage, dass die beiden Top-Regionalliga-Spieler sind. Darüber hinaus sind sie auch menschlich Führungsspieler. Das heißt, sie haben den Charakter, eine Mannschaft zu führen und das auf unterschiedliche Weise, wodurch sie sich gut ergänzen. Beide haben eine hohe Identifikation mit dem Klub, was ebenfalls wichtig ist, da sie nicht nur die Mannschaft, sondern auch den gesamten Verein in der Region repräsentieren. Deshalb haben wir uns für die beiden entschieden."

AM BALL: Letzte Saison gewann der FCB die Vize-Meisterschaft, die Fans träumen vom Aufstieg. Wie definiert ihr eure Ziele diese Saison?

"Zunächst einmal muss man sagen, dass der 1. FC Bocholt eine überragende Serie gespielt hat, das steht außer Frage. Man sollte jedoch auch betrachten, wie es dazu kam, dass einige Favoriten nicht die erwartete Leistung gezeigt haben. Der 1. FC Bocholt hat zudem in vielen Spielen das nötige Matchglück gehabt und sich das Momentum erarbeitet und erkämpft. Deshalb hat man sich am Ende auch verdient die Vizemeisterschaft gesichert. Natürlich darf man träumen, aber vor dem Träumen steht harte Arbeit. Die Liga ist extrem ausgeglichen, und wir müssen von Spiel zu Spiel schauen. Es ist wichtig, nicht den Fehler zu machen, den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen. Die Saison davor stand man fast vor dem Abstieg, hat aber letztes Jahr eine beeindruckende Serie hingelegt. Jetzt gilt es, sich weiterzuentwickeln – sowohl sportlich als auch infrastrukturell. Die Mannschaft ist ehrgeizig, aber ich halte es für besser, vorerst keine großen Ziele auszusprechen. Wir müssen uns auf jedes einzelne Spiel konzentrieren. In dieser Liga bringt es wenig, jetzt schon große Ansprüche zu formulieren, besonders wenn man bedenkt, dass Vereine wie der MSV Duisburg, Rödinghausen, Fortuna Köln, Wuppertal, Oberhausen und auch die Nachwuchsmannschaften, die nochmal über andere Möglichkeiten verfügen, eine große Rolle spielen. Wir wollen wieder eine gute Serie hinlegen und im oberen Drittel mit der Spitzengruppe mitspielen. Dafür muss man jedoch in jedem Spiel seine Leistung abrufen."

AM BALL: Als Trainer von Wiedenbrück, Ahlen und Wuppertal kennst du dich bestens in der Regionalliga aus. Worauf kommt es an, um in der Liga oben mitzuspielen?

Björn Mehnert: Ich hatte in meiner vereinslosen Zeit die Gelegenheit, die anderen Regionalligen zu beobachten und da hat sich bestätigt, dass die Regionalliga West in Bezug auf Breite und Leistungsdichte die beste Regionalliga in Deutschland ist. Das Niveau ist sehr eng und es gibt selten eine Mannschaft, die komplett abfällt. Auch in der oberen Tabellenhälfte gibt es oft eine breite Spitzengruppe. Das bedeutet, dass es an jedem Spieltag darauf ankommt, seine maximale Leistungsgrenze zu erreichen, um Spiele zu gewinnen. Das hat man auch gegen Düsseldorf gesehen. Vielleicht waren wir in Düsseldorf an diesem Tag einen Ticken besser, aber letztendlich stehen wir ohne Punkte und Düsseldorf mit drei da. Es geht auch darum, das Matchglück auf seine Seite zu ziehen und sich zu erarbeiten. In dieser Liga ist es besonders wichtig, neben kämpferischen Tugenden und Einsatz auch fußballerische Lösungen zu kreieren, um zu bestehen."


Die Mannschaft hat einen großartigen Teamgeist und tolle Charaktere in ihren Reihen sind.

Björn Mehnert

AM BALL: Gibt es für dich bereits einen Aufstiegsfavoriten?

"Auch jetzt finde ich es noch zu früh, um jemanden auszumachen. Nach neun bis zehn Spieltagen wird sich aber allmählich ein Bild abzeichnen. Fakt ist natürlich, dass der MSV Duisburg, der erstmals in seiner Geschichte in der vierten Liga spielt, mit seinen Ambitionen der Aufsteigsfavorit ist. Dahinter wird es ein breites Feld geben, in dem viele Teams eine Rolle spielen werden."

AM BALL: Letztes Jahr gab es das bittere Pokal-Aus im Viertelfinale für den FCB. Du konntest selber sowohl als Spieler als auch als Trainer den Niederrheinpokal gewinnen. Wie geht ihr die Spiele im Pokal an?

"Der Pokal ist ein wichtiger Wettbewerb für den 1. FC Bocholt. Man sieht ja, dass man mit nur wenigen Spielen im DFB-Pokal stehen kann. Deshalb werden wir diesen Wettbewerb sehr fokussiert angehen und in jedem Spiel die bestmögliche Mannschaft aufbieten. Wir nehmen den Wettbewerb ernst, da in wenigen Spielen viel möglich ist. Unser Ziel ist es, so weit wie möglich zu kommen. Auch die Konkurrenz ist groß, insbesondere mit den Drittligisten, die ebenfalls vertreten sind. Wir werden sehen, was wir erreichen können."

AM BALL: Bis 2011 hast du unter anderem bei Borussia Dortmund, Preußen Münster und dem Wuppertaler SV deine Fußballschuhe geschnürt. Wann ist bei dir der Entschluss gefallen, dich an die Seitenlinie zu stellen?

"Der Entschluss kam schon vor einigen Jahren, da ich gesundheitliche Probleme im Bereich der Bandscheibe, sowohl im Lendenwirbel- als auch im Halswirbelbereich hatte. Aber auch schon während meiner Zeit bei Borussia Dortmund habe ich mir von den Trainern vieles aufgeschrieben. Mit Mitte zwanzig reifte in mir der Gedanke, dass ich meine Ideen vom Fußball später weitergeben möchte. Daher habe ich mit Anfang dreißig begonnen, die Trainerscheine zu erwerben und habe alle Lizenzen, einschließlich der Pro-Lizenz, erlangt. Das Trainer-Dasein macht mir großen Spaß, und ich lerne jeden Tag dazu."

AM BALL: Was macht dir denn besonders Spaß am Trainerjob?

Björn Mehnert: Es macht mir großen Spaß, mit den Jungs zu arbeiten – nicht nur im fußballerischen Bereich, sondern auch menschlich. Es bereitet mir Freude, den Spielern zuzuhören und ihnen zu helfen, sich sowohl sportlich als auch abseits des Platzes weiterzuentwickeln. Dabei ist es mir wichtig, ihnen Werte zu vermitteln und sie in ihrer Gesamtheit zu unterstützen.


Das Trainer-Dasein macht mir großen Spaß, und ich lerne jeden Tag dazu.

Björn Mehnert

AM BALL: Wie sieht aus deiner Sicht der klassische “Mehnert-Fußball” aus? Hast du eine bestimmte Spielphilosophie?

"Die Art von Fußball, den ich spielen möchte, ist von Emotionen und Leidenschaft geprägt. Ich lege großen Wert auf hohe Intensität, sowohl im Spiel mit als auch gegen den Ball. Es soll viele Umschaltmomente geben, bei denen wir nach Ballverlust direkt ins Gegenpressing gehen und versuchen, den Ball zurückzugewinnen. Gleichzeitig möchten wir uns im Offensivspiel fußballerische Lösungen und Chancen nach vorne erarbeiten. Dieser Mix zeichnet den Fußball aus, den ich sehen will. Dabei ist eine solide Basis wichtig, insbesondere eine gewisse Disziplin und Grundordnung, die vor allem im Spiel gegen den Ball von großer Bedeutung ist."

AM BALL: Bist du ein Trainer, der viel rotiert, um möglichst alle Spieler bei Laune zu halten?

"Das hängt natürlich davon ab, wie sich die Situation entwickelt. Jeder ist ein Teil des Erfolges und wichtig für die Mannschaft. Ich bin überzeugt, dass jeder seine Spielminuten bekommen wird und sich zeigen kann. Wenn man auf dem Platz steht, geht es darum, seinen Platz sowohl im Spiel als auch im Training zu verteidigen. Derjenige, der am Wochenende nicht spielt, ist der Herausforderer und muss im Training beweisen, dass er zur Mannschaft gehört. Dazu gehört auch, in die Kommunikation mit den Spielern zu gehen, um ihnen zu erklären, was zu tun ist, um sich weiterzuentwickeln und in die Mannschaft zu drängen."

AM BALL: Der Hünting galt letzte Saison als Festung. Auch durch die Erfolge lockte der FCB viele Fans zu Heimspielen, die oftmals auch vor ausverkaufter Kulisse stattfanden. Wie schaffst du es, auch in dieser Saison wieder die Fans zu erreichen?

"Am besten gelingt das natürlich mit positiven Ergebnissen, die wir uns hart erarbeiten müssen. Ich freue mich extrem auf das erste Heimspiel als Trainer des FC Bocholt, denn die Atmosphäre ist in der Regionalliga einzigartig. Der Hünting ist wirklich ein Hexenkessel. Die Jungs und ich freuen uns darauf, endlich in unserem Wohnzimmer spielen zu dürfen und wir werden alles auf dem Rasen geben, was in uns steckt. Es wird darum gehen, mit einer intensiven und leidenschaftlichen Leistung die Zuschauer zu begeistern und mitzureißen, sodass der Funke vom Rasen auf die Ränge und umgekehrt von den Rängen auf den Rasen überspringt."

AM BALL: Danke für das Gespräch, Björn.